Juli 2016 – Sao Miguel, Azoren : Glück und Unglück liegen oft nah beieinander, und manchmal kommt beides gleichzeitig! Während wir mit TinLizzy friedlich vor der Ilheu da Vila Franca ankern und nachts selig in unseren Kojen schlummern, erleben unsere Freunde von der SY Mariposa nur ein paar hundert Meter weiter die wahrscheinlich schlimmsten Stunden ihres bisherigen Seglerlebens: Sie kentern, vor Anker liegend, in einer Grundsee ::::
Mittwoch, d. 13 Juli, Ponta Delgada – Das sehnlich erwartete Paket mit der Kamera ist endlich angekommen, und wir können weiterziehen. Noch eben schnell die Lebensmittel verstauen, dann kann es losgehen. Wir wollen zu einem Ankerstopp vor Vila Franca do Campo, keine 15 nm von hier entfernt.
Vila Franca do Campo ist die zweitgrößte Stadt der Insel, wir waren vor ein paar Tagen schon einmal mit dem Mietwagen da: Ein sehr netter kleiner Ort mit schönem Sandstrand und zwei potentiell guten Ankergründen. Besonders reizt uns der Ankergrund vor der Ilheu da Vila Franca, einer kleinen, (des nachts) einsamen Insel vulkanischen Ursprungs, die direkt vor der Hauptinsel liegt. Das Besondere ist der kleine Binnen-Inselstrand, der im eingestürzten Krater entstanden ist.
Das Wetter ist ruhig, von nirgendwo drohen Starkwind oder Welle, denn wir liegen mittlerweile mittendrin im azorischen Hochdruckkern. Leider ist überhaupt kein Wind – das ist zum Ankern gut, aber zum Segeln schlecht, und wir müssen die ganze Strecke unter Motor laufen. Unterwegs stören wir die Seevögel bei der Siesta. Auf dem ruhigen Wasser haben sich jede Menge Möwen und Sturmtaucher zu einem Mittagsschläfchen niedergelassen. Sie werden von uns ein Stück weitergescheucht, lassen sich hundert Meter voraus wieder nieder, werden wieder aufgescheucht und schimpfen, schimpfen, schimpfen über unsere Dreistigkeit….
Am späten Nachmittag fällt unser Anker auf 8 Meter Wassertiefe, etwa 50 m von der Ilheu da Vila Franca entfernt. Wir sind unsicher, ob dieser Ankerplatz gut ist, denn man liegt doch sehr ungeschützt, und alle 10 Minuten braust mit großer Welle und Gejohle ein kleines Fährschiff vorbei, das Badegäste von bzw. zur Insel bringt. Ich allerdings möchte unbedingt, unbedingt mal wieder ganz romantisch ankern, vor einer unbewohnten und einsamen Insel, ganz allein mit meinem Liebsten, wie toll wäre das denn! Wir wägen das Pro und Contra ab, warten ein wenig und trinken erstmal Kaffee.
Bald klärt sich die Lage. Um 18 Uhr ist Ruhe eingekehrt und wir stellen fest: Im Kanal steht konstant ein Strom von etwa 1 Knoten, der uns wunderbar zur Welle hin ausrichtet. Es steht zwar eine Dünung, aber wir merken kaum etwas davon. Nur das gewaltige Rauschen der Brandung am anderen Ufer und hinter der Insel verrät uns, das wir uns mitten im Atlantik befinden. Aber das stört uns nicht. Wir entscheiden uns zu bleiben.
Mit dem Dinghi machen wir einen kleinen Landausflug auf die Insel. Wir sind die Einzigen, die sich dort aufhalten, und wir müssen uns die kleinen Felsterassen lediglich mit ein paar Möwen teilen.
Es ist beeindruckend, mit welcher Gewalt die Brandung, die von Süden gegen die Insel bricht, das Wasser durch zahlreiche Felsspalten in das Inselinnere drückt. In riesigen Wasserpilzen schwappt das Meerwasser nach oben – und fließt dann in einem reißenden Strom wieder ab. Hier möchte ich nicht baden! Insgesamt hat die Insel aber – bis auf ein paar fantastische Ausblicke und die schon beschriebenen Wasserattraktionen – wenig zu bieten, und wir kehren bald wieder heim an Bord.
Wir schicken Ulrike und Dirk von der SY Mariposa, die ein paar hundert Meter entfernt in der Bucht direkt vor der Marina ankern und mit denen wir schon seit Madeira immer wieder nette Stunden verbracht haben, eine Nachricht: „Es ist g…. hier, aber mit dem Hund seid ihr vorm Strand eindeutig besser aufgehoben. Hier gibt´s nur Felsen…“ Für den nächsten Tag kündigen wir unseren Besuch an.
Der Abend vor Anker ist allerdings fantastisch, die Kulisse atemberaubend. Es ist sehr warm, wir gehen von Bord aus schwimmen, grillen einen Fisch und trinken einen leckeren Weisswein von den Azoren. So hatte ich mir das vorgestellt! Gegen Mitternacht fallen wir müde in die Kojen. Alles ist ruhig – sehr erholsam nach den Hafentagen in Ponta Delgada, wo an den Ladekais auch des nachts gearbeitet wurde.
Donnerstag, d. 14. Juli, Vila Franca do Campo – Wir schlafen sofort ein, und nur gelegentlich dringt aus der Ferne das Rauschen der Brandung in unser Bewusstsein. Hier aber ist alles ruhig. Ein gelegentlicher Blick aus der Luke zeigt: die See ist glatt wie ein Kinderpopo, und nur die Atlantik-Dünung hebt uns sanft auf und ab.
Doch während wir mit TinLizzy friedlich vor der Ilheu da Vila Franca ankern und selig in unseren Kojen schlummern, erleben unsere Freunde von der Mariposa nur ein paar hundert Meter weiter die wahrscheinlich schlimmsten Stunden ihres bisherigen Seglerlebens: Sie kentern, vor Anker liegend, in einer Grundsee.
Als wir am nächsten Morgen nach einem ausgiebigen Bad im Meer und einem ebenso ausgiebigen Frühstück den Anker lichten und in die Bucht vor der Marina fahren, wundern wir uns zunächst: Dirk und Ulrike von der Mariposa sind – anders als gestern geschrieben – nicht hier. Hääh? Sind sie doch weitergezogen? Sie wollten noch weiter nach Provocao…
Schon nach wenigen Augenblicken merken wir, dass es uns hier in der Bucht auch nicht gefällt. Es steht eine unangenehme Dünung hinein und ein eigenartiger Wind aus Südost dreht uns sofort parallel zur Welle, so dass wir schwer ins Schaukeln kommen. Das ist nix für uns! Wir lichten schon nach wenigen Minuten wieder den Anker und fahren in die Marina – die allerdings, das erfahren wir per Funk – nur einen Platz am Kai für uns hat.
Wir sind kaum eingelaufen, da sehen wir die Mariposa längsseits am Ponton liegen, die Reling voller Handtücher und Bezüge. Wir gehen wiederum längsseits und hören, was wir zunächst kaum glauben können: Die beiden sind heute am frühen Morgen – während wir friedlich schlummerten und nichts, aber auch gar nichts mitbekommen haben – von einer Grundsee erwischt worden und vor Anker gekentert.
Sie hatten großes Glück im Unglück, denn der Anker hielt und außer ein paar Wasserschäden ist nichts passiert. Alle, Bordercollie Chica eingeschlossen, sind unverletzt. Whow. Wir sind ganz schön platt – und staunen, wie gut die beiden das weggesteckt haben. Zeit zum Wundenlecken nehmen sie sich keine!
Es sind noch nicht 12 Stunden vergangen, da ist schon die Hälfte der Wäsche gewaschen, der Außenborder aufgeschraubt, der Heizlüfter repariert, usw. …. Respekt, Respekt. Ulrike und Dirk sind echt hart im Nehmen und keine Warmduscher… Da merkt man die lange Segelerfahrung in rauen Revieren, über die die beiden in ihrem Blog sehr informativ und unterhaltsam berichten.
Abends – auf der Mariposa ist fast schon wieder alles aufgeklart – laden wir die beiden zum Grillen an Bord der TinLizzy ein und besprechen die Lage. Alle sind sich einig: Da war die Mariposa wohl einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Ein Ankerplatz, der uns allen eigentlich als der „sicherere“ und geschütztere erschien, war es dann doch nicht. Kann im Atlantik immer passieren, wir segeln schließlich nicht in Bullerbü – obwohl es hier auf den Azoren oft so aussieht.
Freitag, d. 15. Juli , Nordatlantik – Wir holen morgens den Wetterbericht und stellen fest: Mistwetter mit viel Regen die ganzen nächsten Tage, aber: ein kurzer, sehr kurzer Wetterschlitz mit milden Winden aus der richtigen Richtung für unseren Trip nach Terceira ab nachmittags. Überdies ist auf Terceira weniger Regen angesagt als hier auf Sao Miguel.
Wir überlegen nicht lange und machen uns startklar. Viel passieren kann nicht, außer dass uns unterwegs die Flaute erwischt und wir das letzte Stück gegen einen leichten Nordwester gegenan motoren müssen.
Wir verabschieden uns von Ulrike und Dirk von der SY Mariposa, kraulen noch einmal deren Bordhündin Chica, die wir mittlerweile richtig lieb gewonnen haben, und legen ab. Wie angesagt bekommen wir ab nachmittags 2-3 Windstärken aus Süd, mit denen wir gemütlich auf einem Raumschotkurs nach Terceira drömmeln. Schnell sind wir diesmal wahrhaftig nicht, aber das macht nichts. Mir zumindest gefällt das wunderbar so.
Nachts gleiten wir nur unter Genua sanft und beschaulich in Richtung Nordwesten. Der Himmel ist sternenklar, der Mond scheint hell. Dunkel wird es erst gegen vier Uhr. Da müssen wir dann auch, weil wir fast stehenzubleiben drohen, für 3 Stunden den Motor anschmeissen.
Frühmorgens setzt der Wind wieder ein und dreht dabei auf WNW, später NW. Wir gehen hoch an den Wind, und auf die letzten Meilen müssen wir sogar wieder den Motor anschmeissen, weil wir die Höhe nicht laufen können und keine Lust aufs Aufkreuzen haben.
Um Punkt 13 Uhr fällt in der Bucht vor Praia da Vitoria im Osten Terceiras der Anker. Wir gehen – denn wir haben dazugelernt – in die „sichere Ecke“, die fast vollständig durch eine Mole geschützt ist, auf ca. 7 Meter Wassertiefe vor Anker. Dann hauen wir uns in die Koje und schlafen erstmal.
Beim ersten Landausflug gegen 17 Uhr entdecken wir, das die Marina picke, packe voll ist. Anmelden können wir uns auch nicht, denn das Hafenbüro und die Polizei haben ab 17 Uhr für das ganze Wochenende geschlossen! Wir werden also noch weitere Nächte vor Anker verbringen müssen – aber das stört uns nicht. Die Stege in der Marina sind nicht verschlossen, so dass wir mit dem Dinghi dort anlanden und sogar die Duschen mitbenutzen können.
Praia da Vitoria ist ein ausgesprochen nett herausgeputztes Städtchen, in dem viele portugiesische Touristen den Sommer verbringen. Wirklich voll ist es aber nicht. Gerade jetzt findet dort ein großes Sommerfest statt – wir werden also des abends in den nächsten Tagen keine Langeweile haben.
Nur das Wetter, das ist auch hier: azorisch! Sonne und Wolken wechseln sich im Minutentakt ab. Eben noch bei schönsten Sommerwetter im Meer gebadet – eine halbe Stunde später Regen wie aus Eimern.
Wir bauen unsere Kuchenbude auf. Bei prasselndem Regen sitzen wir im Cockpit und essen Tortilla. Wenn sich – bei ablaufendem Wasser – das Heck zur Ausfahrt hin ausrichtet, kommen, im Nebel stehend, auf den Molenenden die Steuerbord- und Backbord-Befeuerung der Hafeneinfahrt in Sicht. Es riecht nach Regen, nach Wiesen, nach Heumahd und nach Kühen. Fast wie daheim, in unserem Heimatrevier Schlei, nur dass es wärmer ist…. Das hier, das könnte auch Schleimünde sein!
Ich bin, trotz Regenwetter, von Terceira schon jetzt begeistert. Wir dürfen nur nie vergessen: Dies ist nicht Bullerbü!
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