Juni 2018, Azoren – (TL) Der Mann ist jetzt ein wenig besorgt. Er sieht, dass die Frau immer weiter auf die Steinmole zutreibt. Doch irgendwann hat Barbara begriffen. Ohne Benzin läuft hier nix, da kann sie schimpfen, soviel sie will. Sie macht die Ruder klar und haut voll in die Riemen. Puuh. Noch mal gut gegangen!
Freitag, d. 29. Juni 2018, Azoren – Es ist kaum zu glauben. Weil die Frau von meiner Badeplattform aus bequem ins Wasser steigen will, hat sie Jochen dazu überredet, Winnie the Pilot abzumontieren und unter der Achterkoje zu verstauen. Eine Windsteuerung bräuchten wir derzeit nicht, und man könne so auch besser angeln. Jochen war einverstanden und ist sofort ans Werk gegangen. Winnie liegt jetzt unter der Achterkoje. Er ist stinksauer.
Ich kann ihn verstehen. Was hier in den letzten Tagen geschieht, ist mehr als merkwürdig. Der Mann und die Frau haben sich im Hafen von Velas „eingerichtet“ und dort schon fast zwei Wochen verbracht. Dabei ist es im Hafen viel stressiger als auf See! Drei Tage haben die beiden allein dafür gebraucht, eine funktionierende Landstrom-Verbindung herzustellen. In Velas war es nämlich derartig voll, dass dauernd der Strom ausfiel – oder aber mein Trenntrafo und das Ladegerät wegen der Spannungsschwankungen den Dienst quittierten. Jochen und Barbara haben stundenlang im Internet gegoogelt, bis sie eine Lösung fanden. Der Mann nennt sie „Workaround“. Wenn meine Batterie geladen werden solle, müsse parallel zum Ladegerät in der Achterkoje ein kleiner Heizlüfter laufen, der die „Spannungspitzen“ abziehe. So empfehle es Bobby Schenk, der bekannte Weltumsegler.
Es funktioniert tatsächlich! Wenn der Heizlüfter läuft, lädt das Ladegerät. Winnie wird unter der Koje allerdings jedesmal fast wahnsinnig. („Ist das hier ein Schiff oder eine Scheiss-Sauna?“). Es ist unerträglich heiss an Bord. Der Frau aber ist das egal. Ihr ist wichtig, dass sie den Kühlschrank und die Bordwaschmaschine benutzen kann. Ist das zu fassen?
Winnie hätte sich wahrscheinlich irgendwann beruhigt, wenn die Frau tatsächlich baden und der Mann tatsächlich angeln würde. Machen sie aber nicht. Die Frau ist erkältet, und der Mann ist vom Angeln vorerst kuriert, hat er gesagt. Kürzlich fuhr er mit Dirk und dessen Angelboot „Borboleta“ hinaus und warf die Angel aus. Am Haken hatten sie nach einigen Stunden zwar einige essbare Fischlein – dazwischen aber auch zwei super-eklige, schleimige, giftige KUGELFISCHE. Sie haben sie nur fotografiert und sofort wieder ins Meer geworfen. Die Frau ist ganz blass geworden, als sie davon gehört hat.
Barbara wird hier sowieso langsam etwas nervös. Der Hafenmeister hat uns umquartiert, weil er meinen ersten Liegeplatz für einen Dauerlieger brauchte. Jetzt liegen wir direkt am Eingang zum Steg, und das nervt. Jedesmal, nachdem ein Besucher die Tür öffnet, fällt sie danach mit einem lauten „Quiieeeet….sch PENG !!!!“ zurück ins Schloss. („Hätte ich ihnen gleich sagen können. Dieser Platz ist Mist!“, motzt Winnie).
Seit ein paar Tagen zuckt die Frau aber auch, wenn die Tür nur mit „Quieet…sch“ geöffnet und dann BEHUTSAM geschlossen wird. Ein ausbleibendes „Peng“ irritiert sie. Pavlow lässt grüßen. Ein klarer Fall von klassischer Konditionierung!
Mittwoch, d. 4. Juli 2018, Azoren – Haben Velas gestern Hals über Kopf verlassen. Nachdem wegen des großen Andrangs in der Marina tagelang die Tankstelle blockiert war, gab es eines morgens plötzlich eine Lücke. Alle Schiffe weg, Tankstelle frei. Da haben der Mann und die Frau nicht lange gefackelt, sondern haben die Leinen losgeworfen, mich vollgetankt uns dann in die Ankerbucht verlegt. Hier gefällt es allen besser, auch Winnie. Der Heizlüfter ist endlich außer Betrieb!
Freitag, 6. Juli 2018, Azoren – Seit gestern sind wir auf Graciosa, wieder in der Ankerbucht. Der Hafen von Praia auf Graciosa ist noch kleiner als der Hafen von Velas auf Sao Jorge. Es gibt hier beim besten Willen kleinen Platz für mich, auch nicht in der hintersten Ecke. Hier in der Bucht ist es aber schön – und es gibt immer was zu sehen.
Zweimal täglich kommen hier riesige Fähren an, die an einer kleinen Mole direkt vor der Hafeneinfahrt festmachen und dafür kurz davor einmal drehen müssen. Dazu geht jedesmals ein Lotse an Bord. Er wird mit einem Lotsenboot hingefahren und steigt durch eine kleine Tür im Rumpf über. Beeindruckend, wie gut die Manöver klappen! („Das sind Profis!“, kommentiert Winnie. „Nix mogeln mit Leinen !“). Winnie findet es immer peinlich, wenn der Mann und die Frau mit Leinenhilfe an- und ablegen und in die Achterleine oder eine Vorspring einfahren, um mich auszurichten oder zu drehen. Vom Kugelfender gar nicht zu sprechen!
Dienstag, d. 10. Juli 2018, Azoren – Am Ankerplatz wird es unruhig. Der Wind hat gedreht, und außerdem kommt jetzt von Osten eine unangenehme Dünung in die Bucht. Immer wenn die Tide kentert, geht es richtig zur Sache. Mir und Winnie macht das nichts aus, aber Jochen und Barbara leiden. Wirklich ankerfest ist sie nicht, unsere Crew. („Das bisschen Welle!“, sagt Winnie. „Das ist Training für die nächste Überfahrt!“)
Gegen Mittag sehen die beiden, dass ein Platz an der Außenmole frei geworden ist. Nichts wie hin!!! Leider ist Niedrigwasser, und die Mole so hoch, dass man die Poller zum Festmachen von Bord aus nur mit einem halsbrecherischen Klettermanöver erreichen könnte. Die Frau sagt gleich, dass sie dafür nicht zur Verfügung stehe, und auch der Mann solle das lieber bleiben lassen. Sie hat einfach immer, immer was zu meckern. Doch was tun??
Die Frau will den Lotsen machen. Sie steigt ins Dinghi und fährt in Richtung Hafen, um zu Fuss auf die Mole zu gehen und dann von oben mit dem Bootshaken nach dem Festmacher zu angeln, während Jochen rückwärts auf die Mole zufährt und dann aufstoppt. Sobald der Festmacher sitzt, will er vorwärts einmotoren, und ich werde mich zur Mole hindrehen. „Elsflether Manöver“ nennen die beiden das. Winnie nennt es: Mogeln mit Leinen (MML). Steht er nicht drauf.
Um den Elsflether zu machen, müsste die Frau aber erstmal ankommen, und das sieht gar nicht gut aus. Auf der Hälfte der Strecke geht der Außenborder aus – und Barbara bekommt ihn nicht wieder an. Wie auch! Es ist kein Sprit mehr im Tank! „Mann, Mann, Mann!“, kräht Winnie aus seiner Kiste. „ Sie weiss doch eigentlich, dass ein Außenborder nicht mit Luft fährt?!“
Der Mann ist jetzt ein wenig besorgt. Er sieht, dass die Frau immer weiter auf die Steinmole zutreibt. Doch irgendwann hat Barbara begriffen. Ohne Benzin läuft hier nix, da kann sie schimpfen, soviel sie will. Sie macht die Ruder klar und haut voll in die Riemen. Puuh. Noch mal gut gegangen!
Barbara kommt an, und das Elsflether MML-Manöver klappt prima. Keine zehn Minuten später liege ich sicher vertäut an der Mole, und Winnie hält ausnahmsweise die Klappe. Landstrom gibt es hier keinen, es wird also auch der Heizlüfter aus bleiben.
Mittwoch, d. 11. Juli 2018, Azoren – Der Mann und die Frau sind gerade auf einem Ausflug, da bekommen wir Gäste. Sowohl bei mir als auch bei unserem Nachbarn machen längsseits zwei befreundete Schiffe fest. Vorbei ist es mit der Ruhe. Es sind insgesamt 10 Personen an Bord, und die müssen jetzt, wenn sie an Land gehen oder sich gegenseitig besuchen wollen, alle über mein Vorschiff stapfen. Sie transportieren Wein, Salat, Brot … Offensichtlich planen sie eine Cockpit-Party….
Das ist in der Hauptsaison durchaus so üblich in den Marinas. Nur Camping ist schöner! Glücklicherweise kommen die beiden Nachbarlieger aus England. „Die werden nicht lange feiern. Sie sind eine frühe Sperrstunde gewöhnt. Last orders at 10 pm!“ kräht Winnie fröhlich. Und tatsächlich. Um 22 Uhr ist auf beiden Schiffen Schicht im Schacht.
Bei uns auch. Morgen früh soll es weitergehen nach Terceira!
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