April 2018, Gran Tajaral, Fuerteventura – Die Bars im Ort sind nicht hip, sondern einfach nur gemütlich. Hier gibt es keine weiß gestrichenen Vintage-Möbel im Shabby-Chic, sondern schlichte Plastikstühle. Hier kommt niemand auf die Idee, sein Essen zu fotografieren, denn es gibt nur Tapas, Pizza und Hamburguesas. Kurz gesagt: Die „Likeability“ dieses Ortes geht gegen Null — und gerade deshalb gefällt er uns sehr! ::::
Mittwoch, d. 04.04.2018, Gran Tarajal – Haben uns von unserer Ankeridylle verabschiedet. Es ist mittlerweile Springtide, und der Tidenstrom ist deshalb besonders kräftig. Immer wenn der Strom kentert und gegen den Wind steht, entwickelt sich draußen vor der Bucht eine kabbelige See, die den bisher leichten Schwell unangenehm verstärkt und TinLizzy schwer ins Schaukeln bringt. Das ist unangenehm! Auch in den anderen Buchten ist die Situation offensichtlich ähnlich, deshalb funken wir gegen 14 Uhr die Marina Gran Tarajal an, ob sich dort ein Plätzchen für uns fände. Leider antwortet niemand. Mist!
Uns schwant Übles, denn wir erinnern uns dunkel: Erzählten uns andere Segler nicht kürzlich, die Marina Gran Tarajal sei eventuell geschlossen? Im letzten Sturm Ende Februar seien im Hafen mehrere halbverrottete afrikanische Lastkähne von den einbrechenden Wellen an der Pier zerstört worden und gesunken! Jetzt sei die Einfahrt blockiert!? Genauso wars. Hhmm. Wir beschließen, es trotzdem zu versuchen.
Die Hafeneinfahrt ist tatsächlich halb versperrt. Schon von weitem sehen wir am Pier Kräne, LKWs und ein paar rostige Schiffsrümpfe, und quer durch das nördliche Hafenbecken verlaufen Ölsperren. Offensichtlich ist man dabei, die Sturmschäden zu beseitigen – und hat Wichtigeres zu tun, als ein paar Freizeitskipper per Funk zu begrüßen.
Dennoch haben wir Glück! Wir können einlaufen, die Marina ist fast leer, und wir finden sofort einen Liegeplatz. Warum wir das Hafenbüro nicht anfunken konnten, erfahren wir jetzt auch. Anne und Marc von der SY Erica aus Ipswich klären uns auf: Die Marina sei sehr gut, alles im grünen Bereich, nur: einen Hafenmeister, den gebe es nicht mehr. Einchecken und bezahlen könne man hier nur noch digital, im Internet. Dies sei aber nicht leicht. Sie versuchten es schon seit Tagen, aber es sei ihnen bisher nicht gelungen…..
Na ja. Erstmal ankommen. Wir drehen eine erste Runde durch die Stadt und gehen essen. An der Wasserkante gibt es zahlreiche nette kleine Kneipen und Restaurants, die voll, aber nicht zu voll sind mit einer einheimischen Kundschaft. Am Strand spielen die Kids Fussball. Rund um uns herum wird nur spanisch gesprochen, und wir sind heute die einzigen „fremden“ Touristen. Hier gefällt es uns!
Donnerstag, d. 05.04.2018, Gran Tarajal – Morgens an den Strand zum Walken, Schwimmen und Duschen gegangen. Danach gibt es einen oberleckeren Cafe Cortado in der Cafeteria „Horno Loco“ – für 1€. Mein Mann ist hochzufrieden!
Nur, dass wir immer noch nicht wissen, wie wir uns in der Marina anmelden sollen, das nervt ein wenig. Wir sind schließlich rechtschaffene Menschen, und wenn wir eine Leistung in Anspruch nehmen, dann bezahlen wir auch dafür!
Die spanische Website, auf der man sich registrieren soll, ist auf Behörden-Spanisch, und die deutsche Übersetzung ist nicht zu verstehen. „Wie einen Antrag verwirklichen?
Wählen Sie aus, füllen Sie und senden Sie das entsprechende Formular an den Antrag, der er verwirklichen will !“ Uups. Es kostet mich zwei Stunden, bis ich mich durch die spanische Version durchgeschlagen und die Stelle gefunden habe, wo ich einen Antrag auf „Festmacher-Leistungen“ (Solicitud: PRESTACIÓN DEL SERVICIO DE ATRAQUE) stellen und unsere Schiffsdokumente hochladen kann. Eine digitale Eingangsbestätigung kommt direkt per Email. Ich bin sehr stolz 😉 !
Freitag, d. 06.04.2018, Jandia Playa – Heute die Ernüchterung. Wer auf Fuerteventura einen glücklichen Urlaub verbringen will, muss die Fähigkeit zur „Selektiven Wahrnehmung“ mitbringen. Es gibt viel Sonne, aber auch viel Schatten….
Wir fahren mit unserem Mietwagen in Richtung Süden nach Morro Jable und passieren zur Linken die Traumstrände von Jandia Playa an der Costa Calma. Sand und Strand soweit das Auge reicht. Es ist nur: Nach rechts schauen darf man nicht! Hier reiht sich ein Touristenbunker an den anderen. Wir sind entsetzt – und können uns nicht erklären, warum hier so viele Menschen Urlaub machen wollen… Haben sie vorher nicht in den Prospekt geschaut? Die Strände allerdings sind tatsächlich himmlisch.
Samstag, d. 07.04.2018, Betancuria – Nach dem gestrigen „Jandia-Schock“ brauchen wir ein wenig Natur. Wir schnappen uns deshalb unser Auto und fahren ins Inland in die ehemalige Inselhauptstadt Betancuria. Die Beschreibungen in unserem Wanderführer treffen zu! Betancuria ist ein ruhiges, verschlafenes kleines Nest, und obwohl dort außer uns noch zahlreiche andere Touristen unterwegs sind, hat sich der Ort seinen Charm bewahrt. Wir machen uns auf den Weg, um zur „Ermita de la Pena“ (Kapelle der Schmerzen) zu wandern.
Der Pfad führt uns durch einen Wasser führenden Barranco direkt zu einem kleinen Stausee und schließlich zur Kapelle. Als wir am späten Nachmittag wieder zurück auf TinLizzy sind, sind wir rechtschaffen erschöpft und zufrieden!
Im Postfach liegt eine Mail vom elektronischen Hafenmeister, der uns eine Rechnung in den nächsten Tagen ankündigt, sowie einen Link, wo wir sie bezahlen könnten. Na also!
Sonntag, d. 08.04.2018, Gran Tarajal – Heute nur einen „kleinen“ Ausflug in die Nachbarbucht nach Las Playitas gemacht. Las Playitas ist recht hübsch, und die weißen, kubischen Häuser schmiegen sich eng an den Felshang der kleinen Bucht. Unten an der Wasserkante gibt es mehrere urige Restaurants. Auch eine Ferienanlage findet sich hier, sie ist erstaunlich unauffällig und fügt sich dezent in das landschaftliche Umfeld ein. Nach unserem Schockerlebnis vorgestern in Jandia Playa sind wir ausgesprochen positiv überrascht. Das es hier so beschaulich zugeht, hatten wir nicht erwartet.
Unsere Stimmung ist richtig gut, bis wir nach Hause an Bord der TinLizzy kommen. Im Email-Postfach wartet wieder eine Nachricht vom elektronischen Hafenmeister: „Solicitud denegada! Causa: FALTA DE ESPACIO.“ (Antrag abgelehnt! Grund: Fehlender Platz).Hääh??
Wir beschließen, es mit Humor zu nehmen.
Montag, d. 09.04.2018 – Corralejo – Heute setzen wir unsere Inselerkundung fort. Wir fahren Richtung Corralejo nach Norden, passieren die Inselhauptstadt Puerto de Rosario und schauen uns dann einige Siedlungen an, die rechts der Autobahn an der Küste liegen. Wer glaubt, es könne in punkto Massentourismus nicht schlimmer kommen als in Jandia Playa, der irrt!
Die Anlagen, die wir hier finden, haben ihre besten Jahre eindeutig hinter sich, und der Verfall nagt überall an den Betonwänden. Von den zahlreichen, an den Bedürfnissen einer englischen Klientel ausgerichteten Restaurants („Fresh, homemade Food“) sind die meisten geschlossen. Gelegentlich sieht man ein paar traurige, weißhäutige Gestalten durch die Straßen zockeln. Touristen? Oder sind es Zombies?? Hier könnte man einen Horrorfilm drehen!!!
Auch in Corralejo selbst gefällt es uns nicht besser. Die Stadt ist in den letzten 20 Jahren (als wir erstmals dort waren) ziemlich heruntergekommen, und uns fallen insbesondere die riesigen Bauruinen im Ortseingang auf. Was jedoch alles toppt: Als wir die Strandpromenade entlang schlendern, sehen wir, dass der Stadtstrand aus hygienischen Gründen gesperrt ist. Wie ekelig ist das denn!
Auf der anderen Seite der Insel aber wendet sich das Blatt wieder. Wir fahren nach El Cotillo zur Westseite. Hier ist Natur pur, und obwohl die Strände an der Wetterseite liegen, kann man hier wunderbar baden. Zwischen ausgedehnten Felszungen am Ufer bilden sich kleine Pools, die vor den Wellen geschützt sind. Ein Kinder- und Familienparadies!
Dienstag, d. 10.04.2018, Betancuria – Heute ist Regenwetter, und ich bin wild entschlossen, endlich irgendwo unsere Hafengebühr zu bezahlen. Ich frage mich beharrlich bis zum „Capitano del Puerto“ durch und lande schließlich auf der Baustelle an der Pier mit den versunkenen Schrottschiffen. Dort gelingt es mir, den Capitano zu überreden, sich gemeinsam mit mir auf seinem Computer unsere „Ablehnung“ anzuschauen. Er versteht zwar nicht, was mit unserem Antrag schief gelaufen sein könnte, wandelt unsere Ablehnung („DENEGADA“) aber per Mausklick in ein „ACCEPTADA“ um und nimmt die berechnete Hafengebühr entgegen! Wir sind jetzt also endlich vollberechtigte Gastlieger im Hafen von Gran Tarajal.
Mittwoch, den 10.4. 2018, Betancuria, Fuerteventura – Morgens wieder schwimmen und walken gewesen. Mittlerweile kennt man uns hier schon, und immer, wenn wir am Eingang zur Baustelle mit den Schrottschiffen vorbeikommen, werden wir freundlich gegrüßt. Auch die Bedienung in der Cafeteria „Horno Loco“, in der wir nach dem Schwimmen unseren Cafe Cortado trinken, kommt uns fast schon wie eine alte Bekannte vor.
Wir genießen unseren Kaffee im Sonnenschein, und erst am späten Vormittag fahren wir noch einmal ins Inland nach Betancuria. Wir stellen unser Auto an der Kirche ab und begeben uns auf den Wanderweg nach Vega de Rio Palmas.
Der Weg führt uns durch Gärten, Wiesen und mit Wolfsmilch und Agaven bewachsene Hänge hinauf auf den Morro de Cortijo, von wo wir eine fantastische Aussicht zurück nach Betancuria und bis nach Antigua haben. Von hier oben sieht Fuerteventura wunder-, wunderschön aus! Auf windigen (und steinigen) Pfaden geht es weiter durch das Bergland, bis wir nach ca. 2. Stunden wieder in der Zivilisation im Dörfchen Risco del Pena landen. Während des ganzen Weges treffen wir keine einzige Menschenseele. Offensichtlich kommen die anderen Touristen nicht zum Wandern nach Fuerteventura….
In Risco del Pena warten wir auf den Inselbus, der uns zurück nach Betancuria bringen soll. Er kommt pünktlich um 16:30 Uhr, ist völlig leer, und der Busfahrer scheint sich zu freuen, dass wir bei ihm mitfahren. Als er uns an der Kirche in Betancuria aussteigen lässt und schließlich an uns vorüberfährt, verabschiedet er sich mit Winken und lautem Hupen.
Zurück in Gran Tarajal sprechen wir noch einmal über die Erlebnisse der letzten Tage. Fuerteventura gefällt uns trotz aller Tourismus-Sünden, insbesondere im Inland. Aber auch „unser“ Städtchen Gran Tarajal hat es uns angetan.
Der Strand und die Wasserkante werden es als Motiv zwar niemals auf eine Postkarte schaffen. Auch Facebook- oder Instagram-Likes kann man hier nicht sammeln. Obwohl die Bucht geschützt, seicht abfallend und feinsandig ist, kann sie mit den Traumstränden von Corralejo oder Jandia Playa nicht mithalten. In Gran Tarajal wohnen schlicht und einfach eben jene Leute, die an diesen Traumstränden arbeiten.
Die Bars im Ort sind deshalb nicht hip, sondern einfach nur gemütlich. Hier gibt es keine weiß gestrichenen Vintage-Möbel im Shabby-Chic, sondern einfache Plastikstühle. Hier kommt niemand auf die Idee, sein Essen zu fotografieren, denn es gibt nur Tapas, Pizza und Hamburguesas. Kurz gesagt: Die „Likeability“ dieses Ortes geht gegen Null — und gerade deshalb gefällt er uns!
Wir werden noch ein Weilchen bleiben!
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