Juni 2018, Santa Maria, Azoren – (BW). Als ich nach dem steilen Aufstieg in der Capitania ankomme, sitzen dort drei Mitarbeiter*innen an ihrem Computer hinter dem Schalter. Sofort springt eine von ihnen auf, begrüßt mich in perfektem Oxford-Englisch und fragt nach meinen Wünschen. „I would like to pay the lighthouse tax“, antworte ich und übergebe ihr unsere Papiere. Sie macht sich gleich an die Arbeit ::::
Freitag, d. 1. Juni 2018, Vila do Porto – Wir sind da! Nach drei Tagen und 13 Stunden Fahrt in der Bucht von Vila do Porto angekommen. Der Törn war sehr ruhig, gemächliches Segeln bei leichter Sommerbrise, manchmal musste der Motor aushelfen. Bevor wir in den Hafen einlaufen, müssen wir an Bord die Zeit umstellen. Hier, auf den Azoren, gilt von März bis „AZST“, also *Azores Summer Time* . Es ist 22:00 Uhr, genauso früh wie in Grönland, Island und der Westsahara. Daheim in Deutschland aber ist es bereits 0:00 Uhr und schon Samstag. Alle liegen in den Kojen. Zu spät für den Anruf bei der Familie!
Samstag, d. 2. Juni 2018, Vila do Porto – Wir sind gespannt: Hat sich etwas verändert in den letzten zwei Jahren, seit wir nicht mehr hier waren?
Am späten Vormittag mache ich mich auf den Weg ins Städtchen. Vila do Porto liegt oberhalb des Hafens auf einer mächtigen Felswand und ist die älteste Stadt der Azoren.
Von der Marina aus führt ein steiniger, steiler Pfad direkt zum Ort hinauf. Der Weg endet an einer der Hauptattraktionen des Ortes, der Festung „Forte de Sao Bras“, die im 17. Jahrhundert erbaut wurde. Von dort hat man einen phantastischen Blick über das Meer. Früher allerdings diente der Ausblick nicht der Erbauung, sondern der Gefahrenabwehr. Santa Maria wurde häufig von Piraten heimgesucht. Hier sollten sie gesichtet und unter Beschuss genommen werden, davon zeugen heute noch zahlreiche Schießscharten mit uralten Vorderladern.
Mit wackeligen Seefrauen-Beinen stapfe ich den Hang hinauf. Der Besuch in *Vila do Porto* ist eine Reise in die Vergangenheit. Verfallene, fensterlose Ruinen stehen Seite an Seite neben modernen, stilvollen Neubauten. Gleich am Ortseingang fällt die frisch renovierte *Jugendherberge* mit tollem Pool ins Auge. Für sensationelle 14 € pro Nacht kann man sich hier einmieten, sofern man die Unterbringung im Mehrbettzimmer nicht scheut.
In der Stadt selbst ist alles wie immer. Es ist erstaunlich viel Verkehr, denn alle der ca. 5.500 Einwohner der Insel kommen zum Einkaufen hierher in die „Hauptstadt“. In der Stadt gibt es zwei Supermärkte, einen öffentlichen Mercado, mehrere kleine Schuh- und Klamottenläden, eine relativ gut sortierte Eisenwarenhandlung, mehrere Friseure, Ärzte und eine Apotheke.
Vila do Porto selbst zählt etwa 3000 Einwohner. Damit liegen die Insel und ihre Hauptstadt größenmäßig irgendwo zwischen Juist und Langeoog – nur dass hier, auf Santa Maria, viel viel weniger Touristen unterwegs sind.
Sonntag, d. 3. Juni 2018, Vila do Porto – Die Marina von Vila do Porto zieht, weil sie mitten im Atlantik liegt, ein internationales Publikum an. Schon gestern bemerkten wir allerdings, dass auch „bekannte Schiffe“ im Hafen liegen. Am Steg gegenüber findet sich die „Pura Vida“ von Ron und Heidi aus Wien, gleich nebenan liegt die *Milagro* von Bernd und Julie aus Hamburg. Heute sind noch weitere vertraute Gesichter hinzugekommen. Coen und Jose Essenburg aus den Niederlanden, die wir auf La Palma kennengelernt haben, sind mit ihrem Schiff *Wildeman* eingetroffen. Wir feiern ein fröhliches Wiedersehen und gehen im Hafenrestaurant zum gemeinsamen Abendessen. Der *Club Naval* hat eine neue Bewirtschaftung. Das Essen ist jetzt, anders als vor zwei Jahren, hervorragend. Im Restaurant treffen wir auch auf Steffie und Rolf von der *SY Piccolina* aus Lübeck.
Montag, d. 4. Juni 2018, Vila do Porto – Wir können keinen Inselausflug machen, denn es stehen wichtigere Aufgaben an. Wir müssen die „Leuchtturmsteuer“ entrichten.
Davon wussten wir bisher nichts, aber ein sehr netter Herr von der Capitania (dem Hafenamt) hat Jochen beim Check-In im Marina-Büro vorgestern aufgeklärt. Wer es versäume, diese Gebühr zu bezahlen, könne mit empfindlichen Strafen belegt werden! Jochen ist darauf sofort ins Dorf zur Capitania gegangen. Er hatte jedoch vergessen, unsere Schiffspapiere mitzunehmen und musste unverrichteter Dinge wieder abziehen. Deshalb mache ich mich heute erneut auf den Weg.
Als ich nach dem steilen Aufstieg oben in der Capitania ankomme, sitzen dort 3 Mitarbeiter*innen an ihrem Computer hinter dem Schalter und tippen müde vor sich hin. Sofort springt eine von ihnen auf, begrüßt mich in perfektem Oxford-Englisch und fragt nach meinen Wünschen. „I would like to pay the lighthouse tax“, antworte ich und übergebe ihr unsere Papiere. Sie macht sich gleich an die Arbeit, fertigt einige Kopien an und geht dann zu einer Kollegin, die die Daten noch einmal in den Computer eingibt. Das dauert, denn deutsche Familien-, Straßen- und Ortsnamen erschließen sich nicht sofort, und die Dame am Computer kann nicht schnell tippen. Zeitweise schaut den beiden Damen dabei noch ein weiterer Herr über die Schulter. Er trägt Uniform, scheint also Autorität zu haben. Das wiederum macht die Damen nervös – und erhöht das Tempo kein bisschen.
Es vergehen 15 Minuten, bis die Daten erfasst sind. Schließlich spuckt einer der Drucker zwei Papiere aus, die von der freundlichen Dame mit einem Prägestempel versehen und dann von dem Herrn unterzeichnet werden. Jetzt muss nur noch die Rechnung ausgedruckt werden, erklärt mir die Frau.
Mir wird Angst und Bange ob dieses gewaltigen bürokratischen Aufwands. Das wird bestimmt teuer!!
Als ich (nach 20 Minuten) endlich die Rechnung in den Händen halte, kann ich nur mit Mühe einen Lachanfall unterdrücken. Die zu entrichtende Leuchtturmsteuer beträgt: 2 (!!) Euro. Ich bezahle und verlasse fluchtartig das Büro, höre allerdings noch, wie die Dame die nächsten Besucher begrüßt und dabei ins Französische wechselt. Ihr Französisch ist genauso perfekt wie ihr Englisch.
Dienstag, d. 5. Juni 2018, Vila do Porto – Wieder kein Inselausflug. Heute soll unsere Trimmpumpe repariert werden, die bei unserem Törn von Lanzarote nach Madeira den Dienst eingestellt hat. Jochen will deshalb an Bord bleiben, und ich entfliehe dem zu erwartenden Chaos mit einer guten Entschuldigung: Ich muss zum Friseur.
Schon gestern hatte ich versucht, bei der Friseurin im Mercado einen Termin zu bekommen, erntete jedoch ein: „Nao“. Ich solle einfach kommen und warten, am besten gleich morgens um 9 Uhr, dann sei der Andrang noch nicht groß. So begebe ich mich also (heute) gleich um halb neun auf den Aufstieg in die Stadt – aber als ich um Punkt 9 Uhr vorm Salon ankomme, warten dort schon drei andere Damen….
Ich gehe stattdessen im Mercado einkaufen und genieße im Cafe nebenan einen „Cafe com Leite“ nebst oberleckerem Puddingteilchen – alles für 1,60 €. Da kann man nicht meckern.
Als ich zurückkomme, ist an Bord immer noch Chaos. Immerhin ist die Trimmpumpe ausgebaut – und das ohne Schäden an Mobiliar und Wandverkleidung!
Mittwoch, d. 6. Juni 2018, Vila do Porto – Neuer Versuch. Ich mache mich auf den Weg zum Friseur, und Jochen wartet auf den Handwerker, der die reparierte Trimmpumpe wieder einbauen soll.
Glücklicherweise sind beide Projekte heute halb erfolgreich. Ich finde, nachdem es beim Friseur am Mercado wieder voll ist, einen anderen Friseursalon am Ortsausgang. Dort ist niemand, aber der Tür findet sich eine Telefonnummer.
Die Trinkwasserpumpe ist jetzt in Ordnung. Sie könnte wieder eingebaut und in Betrieb genommen werden, wäre jetzt nicht auch noch eine Sicherung kaputt. Ein Ersatz ist nicht an Bord. Inbetriebnahme auf morgen verschoben.
Donnerstag, d. 7. Juni, Vila do Porto – Yippie! Alles wieder gut! Morgens erneut zum Friseursalon am Ortsausgang gegangen und einen Termin für den Nachmittag bekommen. Die Friseurin ist Kanada-Azoreanerin und spricht perfekt Englisch.
Als ich am späten Nachmittag frisch getönt und frisiert wieder an Bord komme, ist dort ebenfalls alles repariert, und das für sage und schreibe nur 62 €. In Deutschland hätten sie uns mindestens eine neue Pumpe für etwa 600 € aufgeschwatzt und für den Einbau 60€ pro Stunde berechnet! Santa Maria – einschließlich seiner Handwerker*innen – ist wunderbar!!
Heute wird es allerdings voll im Hafen. Vila do Porto erwartet die Ankunft von 20 ARC-Schiffen, die auf der West-Ost-Etappe der Atlantic Rallye for Cruisers vor dem großen Schlag nach Lagos hier einen letzten Zwischenstop einlegen.
Die Schiffe sind teilweise riesig. Ein amerikanischer 20m Segler treibt nebenan in der Boxengasse quer und kann nur unter Mithilfe der halben Regatta-Leitung wieder in die Spur gebracht werden. Gegenüber legt ein monströser Motorsegler mit haushohen Aufbauten an und rummst dabei ordentlich gegen den Finger des Anlegers. TinLizzy nimmt sich daneben wie ein Spielzeugschiff aus. Ich bekomme ob dieser Riesenkähne Angst um unsere Windsteueranlage, die weit in die Boxengasse hineinragt, und lege sicherheitshalber den großen Ballonfender parat. Aber alles ist hochprofessionell organisiert und geht gut. Als neben uns eine 48 Fuss-Yacht anlegt, wird es zwar eng, aber nicht zu eng. Mit der Ruhe im kleinen Hafen von Vila do Porto ist es dennoch vorbei.
Freitag, d. 8. Juni, Vila do Porto – Wir haben uns einen Mietwagen genommen. Die Pflicht ist erledigt, und wir können zur Kür übergehen. Für einen ersten Insel-Trip laden wir Coen und Jose von der „Wildeman“ ein. Die Insel ist wunderschön – und grün, grün, grün!
In der Baia de Sao Lourenco machen wir für einen kleinen Badestop fest. Das Wasser ist warm, und Jochen und Coen toben in den Wellen wie die Kinder. Wir verstehen uns allesamt gut, und es ist sehr schade, dass unsere Wege bald wieder auseinander führen. Die beiden wollen schon nächste Woche zurück zum Festland… Wir aber werden – sobald unser Paket mit dem bestellten Satellitentelefon angekommen ist – weiter durch das azorische Archipel ziehen.
Montag, d. 11.6. , Santa Maria – Nach einem wunderbaren Inselausflug mit Jose und Coen und einer tollen Wanderung durch den Norden sind wir aufs Neue begeistert von Santa Maria. Die Insel ist unglaublich vielfältig, die Natur ist einmalig, und die Menschen so freundlich! Welch ein Glück, dass das Eiland so weit weg von allem ist und bisher vom Massentourismus verschont blieb! Wir hoffen sehr, dass das auch bei unserem nächsten Besuch so sein wird.
Heute morgen ist unser Paket angekommen, und deshalb bereiten wir uns langsam auf die Weiterreise vor. Etwa 180 Meilen sind es bis zu unserem nächsten Ziel, der Azoren-Insel Sao Jorge. Dort leben unsere Segel-Freunde Dirk und Ulrike von der *Mariposa* – die sich vor zwei Jahren „im Vorbeisegeln“ in die Insel verliebten, ein Grundstück gekauft haben und dort sesshaft geworden sind. Sie bauen ein Haus nebst Gästehaus – und wir sind sehr neugierig, wie es ihnen in der Zwischenzeit ergangen ist!
– *Vorherigen Törnbericht lesen* – Nächsten Törnbericht lesen –
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