September 2019, Kappeln – (TL) Es ist still geworden an Bord, und so langsam hat auch Winnie sich damit abgefunden: Wir werden die nächsten Monate in Gesellschaft von ein paar dummbräsigen Rindviechern auf dem Trockenen verbringen. Es ist nur: trocken kann man diesen Acker nicht nennen. Es regnet schon seit Tagen ohne Unterlass!
Dienstag, den 03.09., Laboe, Kieler Förde -„Es gibt in einem guten Sommer kein schöneres Segelrevier als die Ostsee“, hat die Frau immer wieder behauptet, als wir auf dem Atlantik unterwegs waren. Winnie war bisher noch nie da, und auch ich habe vor fünf Jahren lediglich wenige Tage auf der Ostsee zugebracht. Wir sind gespannt. Schließlich schwärmte auch der Mann unterwegs immer davon, wie gut in Deutschland alles funktioniere!
Der Auftakt unserer Ostsee-Segelei, die Passage durch Nordostsee-Kanal von Brunsbüttel nach Kiel-Holtenau, war allerdings …. , na ja. Auf die erste Schleusung in Brunsbütel wartete ich eine Ewigkeit, weil nur eine der beiden Kammern in Betrieb war. Bei der Ausfahrt in Kiel Holtenau wartete ich zwei Ewigkeiten, denn dort ist von insgesamt vier nur noch eine einzige Kammer passierbar. Alle anderen sind kaputt! Im Jahr 2018 quetschten sich hier etwa 30.000 Schiffe durch, das sind etwa 80 Schiffe pro Tag. Was sind das für Zustände?!
Immerhin sind wir jetzt endlich angekommen im See der Träume. Als wir in die Kieler Förde einfahren, ist schönstes Spätsommerwetter: Meer und Himmel blau, der Wind weht lau. Alle, aber auch wirklich alle Segler der Region nutzen das Wochenende für einen letzten Sonnen-Törn. Noch nie zuvor haben wir so viele Schiffe auf einem Haufen gesehen. Dagegen war der Englische Kanal die reinste Einöde, sagt Winnie.
Wir nehmen direkten Kurs auf die Marina von Laboe und haben Glück. Ein Liegeplatz, wie für mich gemacht, findet sich direkt bei der Einfahrt.
Hier liegen wir jetzt seit einigen Tagen. Der Sommer ist allerdings vorerst vorbei. Es soll stürmisch, kalt und regnerisch werden, und der Mann lässt deshalb die Luft aus dem Dinghi und verstaut es unter Deck. Ankern werden wir wohl nicht mehr, sagt er. Auch Winnie geht es an den Kragen. Er muss wieder unter die Achter-Koje. Eine Windsteuerung brauchen wir jetzt nicht mehr, sagt der Mann.
Mittwoch, den 04.09., Sönderborg, Flensburger Förde – Der Mann und die Frau sind als Skipper ganz in Ordnung, aber manchmal etwas launisch. Gestern noch wollten sie die Segelsaison beenden, weil die Frau so fror. Heute aber sind beide wieder ganz wild darauf, noch etwas zu segeln, obwohl die Wetterfrösche einen Südwestwind der Stärke 6 und Regenschauer ansagen. Bei sowas will die Frau normalerweise im Hafen bleiben!
Heute ist das anders, und ich verstehe sofort nach dem Ablegen um 10 Uhr, warum! Hier gibt es keinerlei Dünung, und da wir im Landschutz in nördliche Richtung segeln, auch kaum Windsee. Wir fliegen in Richtung Dänemark! Wie geil ist das denn!!
Schon um 15:30 Uhr haben wir fast 40 sm hinter uns gelassen und machen im dänischen Sönderborg im Stadthafen vor der Brücke fest. Der Mann will hier am Hafenkiosk unbedingt einen „Hot Dog“ essen. Die seien in Sönderborg köstlich!
16 Uhr. Meine Crew ist satt – und nach dem Genuss eines Hot Dogs und eines großen Tuborg Pils leicht angeschickert und müde. Zeit für eine Siesta ….
Es schüttet jetzt wie aus Eimern, was die beiden prompt verschlafen. Perfektes Timing!
Donnerstag, den 05.09., Sönderborg, Flensburger Förde – Haben uns in die Marina verzogen, denn das Wetter ist immer noch schlecht. Es ist erstaunlich, wie viele Schiffe sie hier in solch eine kleine Marina hinein bekommen. Schon die Einfahrt ist Mini, und die Boxengassen erst! Die meisten Boxen sind so schmal, dass ich nicht im Ansatz zwischen die Pfähle passen würde. Komisch ist auch, dass sich hier niemand darum kümmert, wo welche Schiffe anlegen können. Es gibt hier keine Marineros, die die Leinen annehmen, und auch ein Hafenmeister ist nirgendwo zu sehen.
Bei diesem Wind wäre eine Suche im Hafen und das Wenden in der Boxengasse Harakiri. Glücklicherweise finden wir für mich ganz vorne einen Platz, um längsseits zu gehen.
Die Sönderborger Marina ist – das sehen wir jetzt – schon im Winterschlaf. Kiosk und Cafeteria haben bereits geschlossen und auch der Hafenmeister ist schlicht nicht mehr vor Ort. Bezahlen können wir nur noch am Automaten.
Das Umfeld ist aber sehr schön. Nebenan ist ein kleiner Badestrand, und vom Anleger aber schaue ich direkt auf die Ausfahrt des Als-Sundes. Heute laufen ganz viele Traditionssegler aus Sönderborg in die Flensburger Förde und dann Richtung Süden. Irgendwo dort muss ein Oldie-Treffen stattfinden!
Freitag, den 06.09., Avernakö, Lille Belt – Zapperlott, das hätte ich nicht gedacht! Schon wieder Rauschfahrt mit Full-Speed. Als wir um 8:00 Uhr ablegen, um von Sönderborg nach Avernakö zu segeln, haben wir halben Wind, wenig Welle, einen kleinen Schiebestrom – und laufen deshalb über Grund immer wieder 10 Knoten. Die Ostsee gefällt mir! Auch Winnie ist sehr angetan von diesem Revier, obwohl er an seinem Winterplatz nichts mehr zu tun hat. Er kann aber selbst dort, unter der Achterkoje, das Kielwasser rauschen hören!
Bereits um 12 Uhr sind wir in Avernakö, einer kleinen Insel im „Lille Belt“. Hier gibt es nichts als Landleben, und gaaanz viel Platz. Im Sommer soll es hier immer sehr voll sein, behauptet der Mann. Heute aber habe ich den Hafen für mich allein. Sehr aufregend!
Samstag, d. 07.09., Barsö, Lille Belt – Hoppla! Obwohl es in der Ostsee kaum Gezeitenunterschiede gibt, ist der Wasserstand im Hafen von Avernakö so sehr gefallen, dass ich auf Schiet sitze. Der starke Südwest-Wind hat soviel Wasser aus dem Belt hinausgetrieben, dass wir Leinen nachstecken müssen. Wir haben fast einen Meter verloren, und statt 2,50m ist der Hafen von Avernakö jetzt nur noch etwa 1,50m tief. Mir macht das nichts, denn ich habe ja einen Hubkiel. Schiffe mit mehr Tiefgang allerdings hingen jetzt hier fest.
Was nicht schlimm wäre, denn die Insel scheint wunderschön zu sein. Der Mann und die Frau sind begeistert. Am Hafen konnten sie Fahrräder mieten, und sie haben eine ausgiebige Tour über die Insel gemacht. Es scheint wieder die Sonne!
Sonntag, den 09.09., Barsö, Lille Belt – Ein paar Inseln weitergezogen. Das ist hier in der „dänischen Südsee“ und im kleinen Belt nicht schwer. Es gibt viele, viele, viele davon. Sie heißen Ärö, Orö, Bagö, Barsö, Drejö, Skarö … – und eine ist hübscher als die andere, behauptet die Frau. Heute sind wir auf Barsö gelandet.
Wieder habe ich den kleinen Anleger für mich allein – wohl auch deshalb, weil tiefergehende Schiffe hier überhaupt nicht hinkämen. Es reicht für mich (1,10m) so gerade eben – und der Steg ist wirklich winzig.
Um so idyllischer ist die Insel. Hier gibt es nichts, bis auf ein paar Häuser, Felder, Koppeln, Kühe, Schafe – und ein kleines Cafe, das aber bereits geschlossen ist. Wer hier herkommt und sich verproviantieren will, hat Pech. Er muss mit der Fähre gleich wieder auf das dänische Festland übersetzen. Meiner Crew gefällt es hier aber ausgezeichnet, und die beiden wandern fröhlich über die Insel. Wieder einmal haben sie ein kleines Paradies entdeckt – kaum mehr als eine Autostunde von der dänisch-deutschen Grenze entfernt…
Montag, den 09.09., Dyvig, Als Fjord – Jetzt will die Frau doch noch ein letztes Mal ankern. In einem kleinen Seitenarm des Als-Fjords fällt mein Grundeisen in den satten Schlammgrund. Der hält auch bei viel Wind! Obwohl es in Strömen regnet, genießt meine Crew das Landleben. Wir hören ein paar Kühe, ein paar Schafe – und irgendwo bellt ein Hund. Sonst ist hier nix. Spazieren gehen können die beiden aber nicht mehr, denn das Dinghi ist schon verpackt!
Morgen ist endgültig Schluss mit der Idylle. Das Wetter soll noch schlechter werden, und die Zeit für das Winterlager ist jetzt gekommen, das sehe ich ein. Winnie ist verzweifelt. Er muss wieder monatelang unter der Achterkoje liegen.
Dienstag, den 17.09., Kappeln – Nach einem längeren Zwischenstopp im schönen Hafen von Maasholm und einer letzten Galgenfrist für Winnie sind wir gestern in Kappeln angekommen. Alle Segel sind abgeschlagen, die Leinen und Schoten verstaut, die Wassertanks geleert, der Motor inspiziert und gewartet. Jetzt geht es „aufs Land“. Der Kran wartet schon auf mich und wird mich samt Mast aus dem Wasser heben.
Montag, den 30.09., Kappeln – Es ist still geworden an Bord. Der Mann und die Frau sind längst in ihr Haus nach Brodersby gefahren und kommen nur gelegentlich vorbei. Ich stehe auf einem Bock direkt neben der Rinderkoppel. Das Landleben ist fürchterlich langweilig, und zu allem Überfluss regnet es schon seit Tagen ohne Unterlass. So langsam haben Winnie und ich uns aber damit abgefunden: Wir werden die nächsten Monate hier in Kappeln in Gesellschaft von ein paar dummbräsigen Rindviechern auf dem „Trockenen“ verbringen. Immerhin haben wir Schlei-Blick, und wir haben jetzt auch Nachbarn bekommen. Neben uns stehen jetzt dicht an dicht zahlreiche andere Schiffe.
Des nachts geraten wir gemeinsam ans Träumen und tauschen fleißig Seemannsgeschichten. Winnie erzählt stolz vom wilden Atlantik, den Azoren, tagelangen Sturmfahrten, einsamen Nachtwachen, Walen, Delphinen und dem großen Blau … Wir werden hier durchaus bewundert, und das tröstet uns ein wenig über unsere prekäre Lage hinweg. Umgekehrt haben wir schon viele gute Tipps für ausgiebige Ostsee-Törns bekommen und von den langen, hellen, lauen Sommernächten im Baltikum erfahren.
Kattegat? Skagerak? Bornholm? Gotland? Finland? Polen? Litauen, Lettland, Estland? Oder sogar Sankt Petersburg? Dort muss es soo schön sein! Winnie und ich beratschlagen noch über unsere nächsten Ziele – und wie wir das unserer Crew beibringen. Der Mann will ja unbedingt nach Schottland, aber das haben Winnie und ich vorerst gestrichen. Es soll blau werden! Sehr weit, sehr hell, sehr blau, sehr östlich! Mare Balticum, wir kommen!
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