April 2018, Fuerteventura, Kanaren – Etwa 300 Seemeilen haben wir in den letzten 10 Tagen zurückgelegt. Das ist nicht viel. In heimischen Revieren wären wir damit von Kiel gerade mal bis Stockholm gekommen. Hier aber haben wir in etwas mehr als einer Woche eine kleine Weltreise gemacht. Zwischen El Hierros saftigen und nebelverhangenen Hochebenen und den sandigen Wüstenlandschaften von Fuerteventura liegen Welten, und die Gegensätze könnten nicht größer sein ::::
Freitag, d. 23.3.2018, Puerto de la Estaca – El Hierro ist ein Traum. Die Insel – das kleinste und geologisch jüngste Eiland des kanarischen Archipels – ist in jeder Hinsicht besonders und die ursprünglichste Kanareninsel von allen. Auf nur 269 Quadratkilometern leben gerade einmal rund 10.000 Einwohner, und es kommen so wenig Touristen, dass sie in den spanischen Statistiken noch nicht einmal separat erfasst werden. Von den internationalen Airlines wird El Hierro nicht angeflogen, denn es fehlen die tollen Sandstrände. Wer hier baden will, muss in Felsbecken steigen – und ansonsten wandern gehen.
Und das lohnt sich! Im Frühjahr ist die Insel so grün wie keine andere Kanareninsel. Das gesamte Hochland im Nordosten ist eine einzige Blumenwiese, und in den Wäldern bei El Pinar wächst das Gras so saftig, dass man hineinbeißen möchte. Wenn der Wind von Nordosten die von Feuchte schwangeren Passatwolken über die Insel treibt, ist von der ganzen Pracht allerdings wenig zu sehen. Dann ist es kalt, kalt, kalt – und so nebelig, dass man die Schafe auf den Weiden kaum erkennen kann. Selbst im kargen Südwesten der Insel, wo die Lava so aussieht, als sei sie erst vorgestern erstarrt, sprießt deshalb im Frühjahr die eine oder andere Pflanze.
Wir waren begeistert. In der vergangenen Woche sind wir fast jeden Tag wandern gewesen. Morgen jedoch wollen wir mit TinLizzy wieder ostwärts ziehen, um für den großen Schlag nach Madeira etwas „auszuholen“. Der Wind passt, wir kommen kommod bis nach Gomera, und das müssen wir ausnutzen.
Samstag, d. 24. März 2018, El Hierro/La Gomera – Heute um 8:30 die Leinen los geworfen. Es soll heute nur „starker“ – und nicht wie in den letzten Tagen – „stürmischer“ Wind aus Nordost wehen – und das auch nur auf den ersten zehn Meilen in der Acceleration um El Hierro. Danach soll es moderater werden.
Tatsächlich. Nur die ersten 10 Meilen leisten TinLizzy (und Crew) unter Kuttersegel und zwei Reffs im Groß hoch am Wind Schwerstarbeit, dann ist es gemütlicher. Nach 2 Dritteln des Weges stellt Rasmus den Wind sogar ganz ab, denn wir geraten in Gomeras Windschatten. TinLizzy motort den Rest der Strecke von insgesamt 40 Seemeilen. Kurz nach drei fällt der Anker in der Bucht vor Vueltas, und wir gehen schwimmen. Wir sind allerdings zu kaputt, um das Dinghi klarzumachen und an Land zu fahren. Amwindkurse schlauchen …..
Dienstag, d. 27.März, La Gomera – Buchtenbummeln an La Gomeras Südwest-Küste – so haben wir uns in den letzten Tagen die Zeit vertrieben. Zum Einkaufen geht es nach Puerto de Santiago, wo man mit dem Dinghi ganz wunderbar an der Hafenmole festmachen kann. Danach zieht es uns wieder in unsere einsame Ankerbucht am Punta de Gaviota. Am besten gefällt uns – neben der Tatsache, dass man dort tagsüber ganz unbekümmert nackt baden kann – das abendliche Spektakel der Möven und der Sturmtaucher, die in der Dämmerung auf Fischfang gehen. Und: der nächtliche Sternenhimmel ist einfach der Hammer!!
Mittwoch, d. 28. März, San Miguel/Tenerife – Sind eine Insel weitergezogen. Nach einem tollen Ritt auf Halbwindkurs mit bis zu 10 Knoten in der Spitze erreichen wir am frühen Abend die Marina San Miguel . Einziger Wermutstropfen eines ansonsten tollen Segeltörns: Es ist Kalima, die Luft ist voll von afrikanischem Wüstensand, und die Sicht ist schlecht.
In San Miguel gibt es ein Wiedersehen mit Bernd und Julie von der Milagro, die dort auf Gäste für ihren nächsten Whale-Watching Törn warten. Wir haben uns seit über einem Jahr nicht mehr gesehen, und es gibt viel zu erzählen!
Sonntag, d. 1. April, San Miguel/Tenerife – Nach La Palma, El Hierro und Gomera ist Teneriffa für uns ein echter Kulturschock. Mannomann, ist das laut hier! Am Ufer, direkt vor der Kulisse des Teide, findet ein Techno-Festival statt. Die Riesenlautsprecher strahlen zwar in die andere Richtung, aber die Bässe bewummern die gesamte Region. Das geht fast bis an die Schmerzgrenze. Leider können wir noch nicht weiterziehen, denn der Wind weht in Sturmstärke. Morgen aber könnte es was werden….
Montag, d. 2. April, Anfi del Mar/Gran Canaria – Die Leinen losgeworfen. Rasmus meint es gut mit uns: Der Wind weht lau, und wir packen den Genacker aus. Auf einem kommoden Raumschotskurs gleiten wir mit ca. 6 Knoten in Richtung Fuerteventura und erst gegen 20 Uhr muss der Motor aushelfen , weil der Wind schlappmacht.
Wir entschließen uns, die Flaute irgendwo am Anker auszusitzen und ein wenig zu schlafen. Gran Canaria ist schließlich nicht weit, und es ist Vollmond. Wir sollten, was die Sicht angeht, keine Probleme haben. Um 22 Uhr fällt der Anker in der Bucht von Anfi del Mar, welche im Revierführer als vielleicht beste Ankerbucht Gran Canarias gepriesen wird.
In der Tat: Die Bucht ist gut geschützt, nicht allzu voll – aber das Umfeld: Whow. Wir liegen mitten in einer riesigen Hotelanlage. Beton, Beton, Beton, – überall. Nachts allerdings sieht die Bucht, da überall die Lichter brennen, gar nicht so schlecht aus….
Dienstag, d. 3. April 2018, Fuerteventura – Morgens das raue Erwachen. Anfi del Mar ist wirklich unbeschreiblich hässlich. Wir wissen nicht, wie die zahlreichen Hotelanlagen von innen aussehen – aber sie sind einfach zu riesig, und es sind zu viele!! Wer will hier nur Urlaub machen? Wir harren noch aus bis 10 Uhr, aber dann lichten wir den Anker, obwohl immer noch kein Wind weht. Nur schnell weg von hier!
Erst nach vier Motorstunden brist es auf. Wir können bis Fuerteventura auf einem angenehmen 60-Grad-Amwindkurs segeln, zunächst ungerefft, später mit 2 Reffs und Kutter. TinLizzy saust konstant mit 7-8 Knoten durch die Welle. Erst spät in der Nacht, bereits südlich von Fuerteventura, müssen wir das Kuttersegel einrollen und den Motor anschmeißen.
Gegen halb zwei in der Frühe, erreichen wir unser Ziel auf Fuerteventura. Zwar warnt uns der Revierführer davor, die Bucht in der Nacht anzulaufen – aber der Mond, der Mond, er scheint so helle …. Unser Anker fällt vorm Playa de la Lajita auf einer Wassertiefe von 7 Metern in den sandigen Grund.
Morgens nach ruhiger Nacht gut ausgeschlafen aufgewacht und gesehen: Die Insel ist karg, doch die Bucht wunderschön – und wir haben sie tatsächlich fast für uns allein. Kein anderer Segler hier, nur Fischer. Wie kann das sein? Es ist paradiesisch hier – und es gibt sogar einen tollen Supermarkt im Ort.
Wir machen uns mit dem Dinghi auf den Weg zum Einkaufen und gehen erstmal frühstücken. Lajita ist ein verschlafenes kleines Örtchen – sehr multikulti, sehr afrikanisch, sehr arabisch, sehr gelassen, sehr gutgelaunt. Touristen gibt es kaum.
Mittwoch, d. 3. April 2018, Fuerteventura – Wir sind mit TinLizzy mittlerweile ein paar Buchten weitergezogen, denn in den Hafen wollen wir noch nicht. Das milde Wetter wird aller Voraussicht nach noch 1-2 Tage halten. Wieder sind wir allein in der Bucht. Gleich werden wir mit dem Beiboot an Land gehen und „unsere“ Bucht am Playa de Giniginamar erkunden. Nachmittags werde ich, während TinLizzy träge am Anker dümpelt, faulenzen, lesen, schreiben – und die Erlebnisse des Tages noch einmal Revue passieren lassen.
Wenn abends die thermischen Winde einschlafen und sich der Nordwind durchsetzt, wird sich TinLizzy zum Ozean ausrichten. Dann beginnt auf dem Meer das allabendliche Spektakel: Mit der einbrechenden Dämmerung ziehen Schwärme von Fischen an der Küste vorbei. Gleichzeitig Jäger und Gejagte, springen die größeren unter ihnen manchmal weit aus dem Wasser. Sie rufen damit Möven und Sturmtaucher auf den Plan, die ebenfalls Beute suchen, und: die Fischerboote, die wiederum den Möven folgen. Die Zeit der Dämmerung ist die Zeit des größten Jagdglücks – das konnten wir auch auf El Hierro, Gomera und schon auf den Azoren so beobachten.
Etwa 300 Seemeilen haben wir in den letzten 10 Tagen zurückgelegt. Das ist nicht viel. In heimischen Revieren wären wir damit von Kiel gerade mal bis Stockholm gekommen. Hier aber haben wir in etwas mehr als einer Woche eine kleine Weltreise gemacht. Zwischen El Hierros saftigen und nebelverhangenen Hochebenen und den sandigen Wüstenlandschaften von Fuerteventura liegen Welten. Die Gegensätze könnten nicht größer sein – und doch ist vieles sehr, sehr vertraut. Wir sind sehr glücklich, dass wir in diesem Revier segeln können!
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