Oktober 2018, Galicien- (TL) Der Mann und die Frau sehen die Böe nicht kommen, denn sie starren abwechselnd auf den Windmesser, die gewaltige Brandung vor der Isla Cies und ihr Ziel – die Bucht von Vigo. Die Böe trifft mein Großsegel mit voller Wucht und dreht mich blitzschnell zum Wind hin, worauf kurze Zeit später für einige Sekunden mein Vorsegel back steht – und das ist immer noch ausgebaumt. Ich komme schwer ins Trudeln. :::::
Montag, d. 08. Oktober 2018, Porto – Leute, Leute! Es wird Zeit, dass wir endlich weiterkommen! Schließlich wollen wir nach Galicien. Es ist nur: weil die Frau gerne Städte guckt und sowieso am liebsten mit frischer Sommerbrise, Sonnenschein und wenig Welle segelt, sind wir immer noch in Porto. Was soll das?!
Auch Winnie, der mittlerweile wieder auf seinem Warteplatz unter der Achterkoje verstaut ist, stimmt mir zu: Das Wetter auf dem Nordatlantik wird bald kippen! Ein sattes Tief nach dem anderen schiebe sich von Neufundland herüber zum europäischen Kontinent. Bald sei es sowieso vorbei mit dem Mädchensegeln! Zu allem Überfluss sei auch noch ein Hurricane irgendwo auf dem Atlantik falsch abgebogen. Es sei möglich, dass er irgendwo in Europa auf Land träfe. Winnie sagt, wir müssten jetzt ganz schnell noch ein gutes Stück weiter nach Norden! Da sei das Wasser so kalt, da gehe jedem Hurricane die Puste aus. Er redet sich unter der Achterkoje stundenlang den Mund fusselig…
Heute hat er den Mann und die Frau überzeugt. Ein mäßiger Ostwind werde uns morgen hurtig und ohne nennenswerte Welle nach Norden bringen. Erst später am Nachmittag solle der Wind auf Nordwest drehen, aber dann seien wir wahrscheinlich längst in Viana do Castelo, dem nächsten Etappenziel.
Dienstag, d. 09. Oktober 2018, Viana do Castelo – Alles läuft wie geplant. Wir verlassen Porto gleich morgens um 8 Uhr und passieren die Molenköpfe der Douro-Mündung wenige Minuten später. Schon um 9:00 Uhr laufe ich unter Groß und Genua mit etwa 7 Knoten nordwärts. Die Sonne scheint, und es ist kaum Welle. Schöner geht´s nicht! Es ist nur: Mit dem Baden ist es jetzt vorbei. Das Thermometer zeigt eine Wassertemperatur von 14,8 Grad.
40 Seemeilen und 6 Stunden später passieren wir die Molenköpfe von Viana do Castelo und laufen ein Stück flusswaufwärts. Dort gehen wir in die Marina.
Der Mann und die Frau gehen zum Essen an Land – und kommen begeistert zurück. Die Stadt sei wunderschön.
Leider können wir nicht bleiben. Nur noch bis morgen Nachmittag ist das Wetter so, dass man dabei nordwärts segeln möchte. Dann ist Schluss mit Lustig.
Mittwoch, d. 10. Oktober 2018, Vigo – Es ist 6 Uhr, und Winnie treibt zum Aufbruch. Wir bekommen südliche Winde, erwarten nur eine mäßige Welle – und die Sonne soll wieder fast den ganzen Tag scheinen. Wir können also vormittags vorm Wind ganz milde nach Norden schippern. Erst am Nachmittag wird der Wind aufbrisen und Regen bringen. Bis dahin wird es ein Kaffeekränzchen, sagt Winnie und feixt: echtes Damensegeln!!
Gut, dass die Frau das nicht gehört hat. Sie ist keine Freundin des Schwerwettersegelns. Viel Wind, Welle,Lage schieben und Salzwasserdusche mag sie nur ertragen, wenn es unbedingt sein MUSS. Sie neigt dazu, aus jedem Törn einen Kindergeburtstag zu machen – und holt meist schon bei 4 Windstärken die Rettungswesten und Lifebelts hervor. Als „Damensegeln“ würde sie das aber nicht bezeichnen. Sie hält es für „gute Seemannschaft“. Paah!, sagt Winnie.
Schon um 7:30 Uhr legen wir ab. Es sind etwa 45 Meilen bis Vigo, und der Wind weht mit 3-4 Beaufort aus Süd. Jochen und Barbara wollen so schnell wie möglich sein, deshalb fahren sie Groß und Genua im Schmetterling. Die Frau holt die Rettungswesten heraus. Jochen sichert den Großbaum auf Backbord mit einem Bullenstander, die Genua baumt er Steuerbord aus. Als alles steht, geht´s mit vollen Segeln in Sausefahrt Richtung Norden. Die Sonne scheint, die Welle hält sich zurück, im Cockpit ist kaum ein Wind zu spüren. Alle sind zufrieden. Na also, sagt Winnie!
Weil wir jetzt die portugiesischen Hoheitsgewässer verlassen und nach Spanien kommen, soll meine Crew in der Steuerbordsaling die spanische Gastlandflagge setzen. Doch die muss erst geflickt werden. Sie ist bei der letzten Hackfahrt zwischen Lanzarote und Madeira so zerfetzt worden, das sie fast nicht mehr zu erkennen ist. „Das grenzt an Majestätsbeleidigung!“, schimpft Winnie. Die Frau geht samt Flagge wieder nach unten in die Kajüte und macht sich ans Werk. Nach einer halben Stunde ist es geschafft. Die Flagge ist geflickt und kommt in die Saling.
Gegen 13 Uhr brist es auf, und im Westen zeigen sich die ersten Wolken am Himmel. Da steckt Wind und Regen drin!
Jetzt wäre die Zeit zum Reffen, findet die Frau.
Hhm, sagt der Mann. Da kommt ja gleich die Landabdeckung!
Genau jetzt erwischt mich eine Strömung von 2-3 Knoten aus Nord, das ist die Tide, die wir mittlerweile gegenan haben. Wir machen, obwohl uns satte 6 Beaufort schieben, zwar 7 Knoten Fahrt durchs Wasser, aber nur noch 4-5 Knoten Fahrt über Grund, und bis Vigo sind es noch zehn Meilen! Die Segel bleiben deshalb, wie sie sind, und die Frau sagt nix mehr. Allerdings schaut der Mann jetzt sorgenvoll auf den Windmesser. Der geht auf 30 Knoten und ich laufe unter Vollzeug mit bis zu 10 Knoten vor dem Wind. Wann kommt denn endlich die Landabdeckung ?
Etwa drei Meilen vor der Bucht von Vigo geschieht es. Wir passieren gerade die von der Brandung umtoste Felsküste der Isla Cies, da nähert sich von achtern eine Windböe. Der Mann und die Frau sehen sie nicht kommen, denn sie starren abwechselnd auf den Windmesser, die Brandung und ihr Ziel – die Bucht von Vigo.
Die Böe trifft mein Großsegel mit voller Wucht und treibt mich blitzschnell zum Wind hin, worauf kurze Zeit später für einige Sekunden mein Vorsegel back steht – und das ist immer noch ausgebaumt. Ich komme schwer ins Trudeln. „Mann, mann, mann, was macht ihr da?!“, schreit Winnie von unten…
Was machen die da?! Der Mann hat am Steuer blitzschnell reagiert und mich wieder auf Kurs gebracht. Sonst hätten wir nach einem hurtigen Schuss in den Wind wahrscheinlich eine Pirouette gedreht. Dabei ist schon so mancher Baum zu Bruch gegangen! Uups ….
Die Frau hat blitzschnell die Genua weggerefft. Sonst hätte ich jetzt ein Vorsegel im Streifendesign. Sie hat dabei unheimlich laut geschimpft, man konnte es bis Vigo hören.
Merkst du was?, kräht Winnie von unten. Sie soll mal ganz stille sein. Sie hat keine Rettungsweste an, die liegt hier unten auf der Bank, neben dem Nähkasten! Uuups ….
Wenige Minuten später sind wir in der Bucht von Vigo. Wir nehmen Kurs auf die Marina, machen dort fest und bauen die Kuchenbude auf. 10 Minuten später wird es stürmisch und nass. Gut, dass wir da sind!
Samstag, d. 14.Oktober 2018, Vigo – Die letzten Tage bei absolutem Mistwetter in der Marina verbracht. Der Mann und die Frau haben mittlerweile ihren Rückflug nach Deutschland gebucht. Winnie und ich werden alleine hier bleiben und die Stellung halten. Heute aber scheint noch einmal die Sonne, und die beiden machen mit dem Mietwagen einen letzten Ausflug.
Winnie hat tatsächlich Recht behalten. Hurricane Leslie ist auf Abwegen und trifft – vom kalten Wasser des Nordatlantiks etwas geschwächt – als kräftiger Tropensturm auf Portugals Küste. Heute Nacht wird es soweit sein. In Lissabon und auch Porto, zwei Tagesreisen entfernt, wird es richtig zur Sache gehen. Hier in Vigo aber sind wir sicher.
– *Vorherigen Törnbericht lesen* – Nächsten Törnbericht lesen –
M | D | M | D | F | S | S |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | ||||||
2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 |
9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 |
16 | 17 | 18 | 19 | 20 | 21 | 22 |
23 | 24 | 25 | 26 | 27 | 28 | 29 |
30 | 31 |