September 2016, Nordatlantik – Schon von den Wilden Inseln gehört? Wir bisher auch nicht. Aber es gibt sie wirklich, die „Ilhas Selvagem“. Sie befinden sich mitten im Atlantik, irgendwo zwischen Madeira und den Kanaren. Wir wollen hin …. ::::
Mittwoch, d. 21.9., Quinta do Lorde, Madeira – Heute kommt der Capitano zurück. Mein Mann Jochen, ein echter Segelfanatiker, ist zurück auf die Azoren geflogen und hat auf der „Milagro“ angeheuert. Er will die Strecke Azoren-Madeira „auf den Spuren der Wale“ ein zweites Mal segeln, denn er kann vom „Big Blue“ nicht genug bekommen. Juliette und Bernd, die Skipper der Milagro, sind erfahrene Whale-Watcher, und sie wissen, wo die Viecher zu finden sind.
Die Capitana der TinLizzy aber – Wale hin oder her – hat vom Segeln erstmal genug und gönnt sich stattdessen in Quinta do Lorde ein paar Tage Urlaub vom Urlaub….
Kleines Highlight meiner einsamenTage als Strohwitwe: Es ist mir gelungen, unser defektes Belüftungsventil für den Kühlkreislauf zu „reparieren“. Das ist gut, denn hier auf Madeira ist ein Ersatzteil nicht zu bekommen. Wir haben es bestellt, aber die Lieferung dauert und dauert.…
Was macht die Hausfrau? Erst ein Bad in Essig, dann … Gebissreiniger, den wir gelegentlich zum Säubern des WCs benutzen. Schließlich eine kleine Behandlung mit einer alten Zahnbürste, einem Pfeifenreiniger und„WD-40“, dem Allheilmittel auf einem Segelschiff. Siehe da: Nach einer Stunde ist das Ventil wieder blitzsauber und öffnet bzw. schließt butterweich. Jochen wird sich freuen, denn eigentlich wollen wir übermorgen lossegeln in Richtung Kanaren. Ohne Ventil würde das nichts werden….
Donnerstag, d. 22.9., Quinta do Lorde, Madeira – Na also, wer sagt´s denn! Das Belüftungsventil ist eingebaut und – funktioniert !!! Mein Mann ist zufrieden. Er hat mit der Milagro nicht nur zahlreiche Wale gesichtet, sondern jetzt auch noch – ohne eigenes Zutun – wieder ein funktionstüchtiges Schiff! Gute Laune ist angesagt.
Wir machen uns einen letzten schönen Tag im Resort Quinta do Lorde und gehen abends mit Juliette und Bernd von der Milagro in die Hafenkneipe. Dort treffen wir einen alten Einhandsegler aus England.
Er erzählt uns die abenteuerliche Geschichte seiner Beinahe-Kenterung im Sturm vor Madeira, bei der er fast über Bord gegangen wäre. Er brach sich mehrere Rippen, und auch sein Rigg wurde schwer beschädigt. Er konnte gerade noch einen Funkspruch absetzen und musste sich von der portugiesischen Marine retten lassen….
Der alte Mann trinkt, während er dies erzählt, ganz ordentlich, und es ist gewiss nicht auszuschließen, dass diese Angewohnheit zu seinem Seenotfall beigetragen haben könnte.
Dennoch beeindruckt mich seine Geschichte, und ich nehme ich mir vor, die Sicherheitsvorkehrung auf der TinLizzy in Zukunft deutlich zu verstärken, schließlich bin ich an Bord die (selbsternannte) „Sicherheits- und Rettungswesten-Beauftragte“. Mein Mann ist angstfrei – und wenn es nicht gerade in Sturmstärke kachelt, neigt er zu einer gewissen Unbekümmertheit. Das sieht allerdings nur die Sicherheitsbeauftragte so. „Ooh, dit kenn ick“, meinte dazu kürzlich eine befreundete Skipperin beim vertraulichen Girl´s Talk. „Is´ bei uns ooch so. Papa is´mutig, und Mutti passt uff!“ …
Freitag, d. 23.9, Baia Abra, Madeira – Wir gönnen uns eine letzte Nacht vor Anker und fahren in die Baia Abra. Madeira hat kaum gute Ankerbuchten – aber die „Abra“ ist wundervoll. Eine tolle Felskulisse, guter Ankergrund und kaum Schwell. Wir gehen schwimmen, kochen für den Atlantik-Schlag ordentlich vor und ruhen uns aus. Morgen geht es zu den Ilhas Selvagem…
Samstag, d. 24.9., Nordatlantik – Ehrlich gesagt: Bis vor Kurzem hatte ich noch nie von den „Ilhas Selvagem“ gehört. Aber es gibt sie wirklich, die „Wilden Inseln“: sie befinden sich mitten im Atlantik, irgendwo zwischen Madeira und den Kanaren. Anlaufen darf man sie nur mit einer speziellen Genehmigung, und eben diese haben wir kürzlich beantragt und nach mehrmaliger Nachfrage bekommen! Die Ilhas Selvagem sind unbewohnt – und außer ein paar Naturschutzpark-Wächtern lebt dort niemand.
Wir lichten um 10 Uhr den Anker und segeln auf einem perfekten Raumschotskurs mit leichtem bis mäßigen Wind Richtung SSO. Wir können sogar den Gennacker auspacken!
Sonntag, d. 25.9., Nordatlantik – Wir haben es ausgerechnet: Bei guter Sicht müssten wir die Ilhas Selvagem heute gleich morgens in Sicht bekommen. Die Hauptinsel, Selvagem Grande, hat zwei Berge, den Pico da Atalaia mit 164 und den Pico dos Tornezelos mit 136 Metern. Laut Seemanns-Formel zur Entfernungs-Berechnung eines „Feuers in der Kimm“ kann man sie schon in einer Entfernung von ca. 25 nm am Horizont ausmachen.
Und tatsächlich: Gegen 10 Uhr können wir die beiden Gipfel am Horizont sehen. Wir freuen uns schon auf die Ankunft, doch bis dahin wird es noch etwas dauern. Die Ilha Selvagem ist von zahlreichen kleineren Felsgipfeln umgeben, welche teilweise nur ein bis zwei Meter unter der Meeresoberfläche enden. Sie könnten uns gefährlich werden. Wir fahren deshalb in einem großen Bogen östlich um die Insel herum, obwohl wir eigentlich dringend ankommen möchten. Wir sind müde!
Als wir die südöstliche Spitze gegen 15:00 Uhr erreichen, höre ich Jochen laut Grummeln. In „unserer“ Ankerbucht liegt ein dicker Traditionssegler vor Anker. Mist. Ist da überhaupt noch Platz für uns? Die Entwarnung kommt wenige Minuten später. Der Traditionssegler lichtet offensichtlich den Anker und setzt Segel. Wir können einlaufen in die Bucht!
Um 15:30 werfen wir den Haken aus. Der Grund ist nicht gut. Zwar hält unser Anker in einer Felsspalte, wie Jochen schnorchelnd feststellt, aber die Kette scheuert bei jeder Welle über die Steine, und dies verursacht an Bord immer wieder ein lautes Poltern. Wir sind sehr froh, dass wir sicherheitshalber eine Trip-Leine mit Schwimmfender befestigt haben. So können wir das Eisen morgen in gleichem Winkel wieder hinausziehen, in dem es sich eingeklemmt hat in die Felsspalte….
Hier ist tatsächlich nichts los. Am Ufer befindet sich eine Naturschutzstation, und außerdem liegt ein Boot der „Policia Maritima“ an einem kleinen Anleger. Schon nach einer Stunde bekommen wir an Bord Besuch von zwei martialisch wirkenden Herren ganz in schwarz. Sie nehmen unsere Daten auf, befragen uns nach unseren nächsten Zielen und bieten uns an, uns in ihrem Boot an Land zu bringen und die Insel zu zeigen. Das ist ja nett!!! Wir lehnen jedoch dankend ab, denn wir sind: MÜDE. Viel zu sehen scheint es hier eh nicht zu geben.
Der Abend am Anker ist einmalig. Ein toller Sternenhimmel tut sich auf, die Wellen rauschen am Ufer auf die Felsen, und über uns krakelen Hunderte von Sturmtauchern: „Agua, agua – ääih!“ (Hallo!!! Euch kennen wir doch schon von den Azoren !!!!). Dennoch schlafen wir in dieser Nacht nicht gut. Die Ankerkette …..
Montag, d. 26.9., Ilha Selvagem, Nordatlantik – Morgens funken wir die Jungs von der Inselwacht an: Könnt Ihr uns einen Wetterbericht geben? Unser Funk-Modem funktioniert hier nicht….“. „Klar, wir holen Euch ab, dann könnt ihr bei uns ins Internet“, kommt prompt die Antwort. Keine halbe Stunde später sitzt Jochen schon im Boot der Policia Maritima und lässt sich zur Station chauffieren. Wie hilfsbereit!
Während ich warte, geht nebenan ein zweiter Segler mit 4-er Crew vor Anker. Sie sind (wahrscheinlich haben sie keine Sicherheitsbeauftragte an Bord ;-)) weniger vorsichtig als wir und werfen den Anker ohne Trip-Leine. Der rutscht, rutscht, rutscht – und schließlich enden sie, denn jetzt klemmt der Anker fest, wenige Meter vor den Felsklippen und einer rauschenden Brandung. Den Anker bekommen sie jetzt nicht mehr heraus. Hhm. Das wird ein echter Spass werden, und die Jungs von der Inselwacht werden was zu tun haben.
Versehen mit einem aktuellen Wetterbericht gehen wir dennoch ankerauf, und dank unserer Trip-Leine funktioniert das problemlos. Wir haben heute eine Vorhersage von 4, später 5 Windstärken aus NO – genau richtig, um auf Vormwindkurs mit ausgebaumter Genua gemütlich in Richtung La Palma zu segeln.
– Vorherigen Törnbericht lesen – Nächsten Törnbericht lesen –
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