Juli 2016, Sao Miguel/Azoren: Es ist dichter Nebel, es nieselt, und ich kann vom Cockpit aus kaum den gegenüberliegenden Kai mit den riesigen Containerschiffen erkennen. Doch mittlerweile weiss ich: schon in wenigen Minuten kann das ganz anders sein. Dann haben sich die Wolken verzogen und geben den Blick auf einen azurblauen Himmel frei. Die Sonne wird mit Sao Miguels Farben spielen: von Azurblau bis Brilliantweiss , von Rosenrot bis Sonnengelb, von Ocker bis Mintgrün. Wieviele Grüntöne unterscheidet die deutsche Sprache? Es sind nicht genug, um die Farbwelt der Azoren zu beschreiben! :::::
Samstag, 2. Juli, Ponta Delgada – Am frühen Nachmittag laufen wir in Ponta Delgada auf Sao Miguel ein. Die Marina ist riesig, und wir wurden gewarnt: Es gebe starken Schwell wegen der Schiffahrt, denn die Marina liege direkt neben einem Fährterminal und einem Ladekai für Containerschiffe. Wir probieren es trotzdem, eine Alternative gibt es kaum – und stellen schnell fest, dass uns das sogar gefallen wird. Das Umfeld ist betriebsam und wir liegen nicht gerade ruhig, aber als ehemalige Hamburger und Hafen-Fans finden wir das sogar heimelig. Von unserem Cockpit aus können wir zuschauen, wie die Containerschiffe be- und entladen werden und wie die teilweise riesigen Pötte im Hafenbecken manövrieren. Da kommt nie Langeweile auf!
Abends erster Landgang in die Hafenkneipe. Ein EM-Spiel ist zu gucken. Es spielt die deutsche Nationalmannschaft gegen Italien – und gewinnt im Elfmeterschießen. Jochen ist hochzufrieden.
Im Hafen treffen wir später auch auf die SY Mariposa, deren Crew – Dirk und Ulrike – wir schon in Porto Santo kennengelernt haben. Sie sind seit mehreren Wochen hier in Ponta Delgada und können uns so manchen Tip geben.
Sonntag, 3. Juli – Ich habe mir schon letzte Woche eine neue Kamera bestellt, denn meine alte ist bei der Überfahrt nach Santa Maria beschädigt worden. Jetzt heisst es: warten, warten, warten. Die portugiesische Paketpost ist nicht sehr schnell, und die Lieferung ist erst für Ende der Woche vorgesehen.
Wir machen derweil einen ersten Ausflug in die kunstfertig gepflasterten Gassen von Ponta Delgada. Ponta Delgada ist die größte Stadt der Insel, hier leben ca. 70.000 von insgesamt 138.000 Einwohnern. Eine echte Kleinstadt also, die aber wegen des großen Hafens trotzdem einen gewissen urbanen Charm aufweist. An der „Porta do Mar“, einem riesigen, keilförmigen Kai mit Bars, Restaurants und Geschäften, treffen sich Einheimische, Segler und Touristen aus aller Welt.
Die Stadt ist außerdem berühmt für ihre botanischen Gärten, und wir besuchen gleich zwei davon. Es ist erstaunlich, was die Natur hier so alles wachsen lässt!
Montag, 4. Juli – Weitere Ausflüge und Erkundigungen. Im Schutz eines wallenden Wolkenkleids ist auf Sao Miguel eine einzigartige, subtropische Pflanzenwelt in unendlicher Vielfalt entstanden. Dennoch erinnert die Vegetation manchmal an die Landschaften Nordeuropas, denn auf den Azoren scheint die Sonne (wenn sie scheint) zwar kräftig – aber trocken wird es nie.
Deshalb wird Sao Miguel landwirtschaftlich intensiv genutzt. Überall weiden Kühe, und die Milchwirtschaft sowie der Anbau von Obst und Teepflanzen (!) spielen für die Insel eine wichtige wirtschaftliche Rolle. Die Fischerei allerdings ist im Abwind. In den Häfen der Insel findet man nur noch wenige Fischerboote, dafür umso mehr Ausflugs- und Exkursionsschiffe, mit denen Touristen Wale, Delfine und andere Meeresbewohner beobachten können.
Dienstag, 4. Juli – Sao Miguel ist die größte Insel der Azorengruppe, aber mit 64 km Länge und ca. 15 km Breite dennoch innerhalb eines Tages mit dem Auto zu umrunden. Wir lassen es langsam angehen und nehmen uns zunächst den westlichen Teil vor. Am frühen Nachmittag machen wir uns mit dem Mietwagen auf den Weg.
Wir haben die Stadt kaum in Richtung Westen verlassen, da umfängt uns sattes Grün und der milde Duft von Hortensien. Egal ob weiss, blau oder violett – Hortensien wachsen hier einfach überall, selbst direkt neben der Landstraße.
Wie fast alle Azoreninseln ist auch Sao Miguel vulkanischen Ursprungs. Unser erstes Ziel sind deshalb die Kraterseen von Sete Cidades. Die Kulisse ist wolkenverhangen, aber das stört uns nicht. Die beiden Kraterseen, Lagoa Azul und Lagoa Verde, sind wunderschön – wir fühlen uns fast wie in den Alpen. Gelegentlich, wenn die Wolken aufreissen, sehen wir das Meer. Dann merken wir wieder, wo wir wirklich sind.
Mittwoch, 5. Juli – Es ist dichter Nebel, es nieselt, und ich kann vom Cockpit aus kaum den gegenüberliegenden Kai mit den riesigen Containerschiffen erkennen. Doch mittlerweile weiss ich: schon in wenigen Minuten kann das ganz anders sein. Dann haben sich die Wolken verzogen und geben den Blick auf einen azurblauen Himmel frei. Die Sonne wird mit Sao Miguels Farben spielen: von Azurblau bis Brilliantweiss , von Rosenrot bis Sonnengelb, von Ocker bis Mintgrün finden sich hier alle Farben, die ich mir vorstellen kann. Wieviele Grüntöne unterscheidet die deutsche Sprache? Es sind nicht genug, um die Farbwelt der Azoren zu beschreiben!
Erstmal allerdings sehe ich nur Grau in allen Schattierungen. Wir sind anscheinend mitten in einer riesigen, trägen Wolkenformation eingeschlossen, und das ist blöd, denn wir haben jede Menge Wäsche gewaschen und unsere Wäscheleine ist schon aufgespannt.
Wäsche wird auch bei Regenwetter irgendwann trocken – das weiss ich als ehemalige Hamburgerin. Unter den erstaunten Blicken der Stegnachbarn hänge ich deshalb im Regen mit stoischem Gleichmut Geschirrtücher, Handtücher und ein paar T-Shirts auf die Leine. Dann gehen wir von Bord, um mit unserem Mietwagen wieder die Insel zu erkunden. Heute ist der Osten dran.
Wir haben Glück. Im Osten der Insel ist das Wetter etwas besser. Wir essen im pittoresken Fischerhafen von Caloura zu Mittag und besuchen danach die Strände von Vila Franco do Campo. Nach einem Abstecher zum Kratersee bei Furnas nehmen wir ein Bad in den heissen Thermalquellen. Danach geht es in den Norden der Insel. Dort – bei Ribera Grande – ist allerschönster Sonnenschein! Wir schauen den Leuten beim Baden zu und lassen den Tag in der Strandbar mit ein paar leckeren Wraps und einer Laranjada ausklingen.
Als wir zum Schiff zurückkommen, regnet es immer noch. Der Süd-West-Wind bringt unermüdlich jede Menge feuchtwarme Luft heran. Die Wolken lösen sich heute einfach nicht auf, sondern stauen sich vor den Bergen von Sao Miguel.
Unsere Wäsche ist nässer als jemals zuvor – aber das macht nix.
Donnerstag, 6. Juli – Letzte Inselrundfahrt mit dem Mietwagen. Sao Miguel ist einfach zu schön. Wir klappern noch einmal die Inselmitte ab, baden in den Thermen der Caldeira Velha und genießen das Bergpanorama. Dabei wechseln sich Wolken, Nieselregen und Sonnenschein im Minutentakt ab. Kalt wird es niemals.
Als wir abends zurück an Bord kommen, ist der Himmel in Ponta Delgada azurblau. Es weht eine leichte Brise – und unsere Wäsche ist nach mehr als 24 Stunden endlich trocken. Na also, geht doch!
Freitag, 7. Juli – Kaum zu glauben, wie leicht es uns mittlerweile fällt, einen ganzen Tag zu verdaddeln! Außer im Mercado einkaufen zu gehen haben wir nichts zu tun. Trotzdem wird uns nicht langweilig. Wir plauschen mit den Stegnachbarn, gehen schwimmen und hängen – in Abhängigkeit von der Wolken- und Wetterlage – Badeanzüge und Handtücher raus bzw. rein. So langsam sind wir in einem Zustand der Tiefenentspannung …..
Abends spielt wieder die deutsche Mannschaft – wir sehen das EM-Halbfinalspiel Deutschland-Frankreich inmitten von lauter Franzosen. Die Freude unserer Nachbarn über den französischen Sieg ist gross, aber sie vergessen trotzdem nicht, uns höflich zu einem guten Spiel zu gratulieren und zu trösten!
Sonntag, 10. Juli – Wir sind immer noch in Ponta Delgada, denn mein Paket mit der neuen Kamera ist noch nicht eingetroffen. Das DHL-Tracking behauptet, es sei immer noch in Lissabon. Ich wundere mich: Es hat einen Tag gedauert, das Paket von Deutschland nach Lissabon zu transportieren. Und jetzt? Was machen die in Lissabon solange damit?? Wenn sie heute Abend auch so langsam Fussball spielen….
Gegen 18 Uhr gehen wir mit Ulrike und Dirk von der Mariposa wieder zum Public Viewing auf die Pier. Vor fast allen Hafen-Kneipen stehen große Bildschirme, und vor jedem Bildschirm sitzen und stehen mindestens 50 Leute, die das Finale der EM, Portugal gegen Frankreich, verfolgen. Wir bemerken, dass die portugiesischen Fans ein anderes, freundlicheres Temperament haben als deutsche. Sie schimpfen niemals, wenn ihren Jungs mal was daneben geht – aber sie jubeln immer, wenn etwas gelingt. Sehr sympathisch …. Beim 1:0 für Portugal ist die Begeisterung riesen, riesengroß!!!
Montag, 11. Juli – Die Portugiesen sind Europameister, die deutsche Nationalmannschaft ist längst wieder daheim, nur: Mein Paket, das ist immer noch in Lissabon. Hhmm. So langsam werde ich dann doch ungeduldig. Da aber für eine Weiterreise sowieso zu wenig Wind ist, beginnen wir, ein paar Ankerpläne zu schmieden.
Jetzt, da alle „wichtigen“ Fussballspiele vorüber sind, wollen wir einige Tage fernab der Zivilisation am Anker verbringen. Ich habe Hoffnung, dass die Euphorie des EM-Siegs auch die portugiesischen Paketzusteller ein ganz klein wenig beflügelt. Das wäre schön – aber bis dahin (???) werde ich mich weiter in Gelassenheit üben….
– Vorherigen Törnbericht lesen – Nächsten Törnbericht lesen –
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