Juni 2020, Hiddensee – (TL) Der Mann steuert mich nah an den luvseitigen Poller heran. Die Frau legt die Achterleine über und geht langsam zum Bug. Sie wirkt erleichtert. Aus ihrer Sicht ist das Manöver jetzt gelaufen…..
Freitag, 12.06., Rügen – Wir segeln. Das ist auf alle Fälle besser als der Acker in Kappeln. Und wir ankern! Das ist auf alle Fälle besser als der rottige Steg in Missunde!
Winnie und ich haben dennoch schlechte Laune. Wir schippern jetzt zwar schon seit ein paar Tagen mit dem Mann und der Frau über die Ostsee, sind aber seither kaum vorangekommen. Rügen? Paah. Die paar Meilen. Das sind Peanuts für mich!
Auch Winnie belastet das sehr. Dabei war er eigentlich zu Beginn des Törns guter Dinge. Unsere Skipper wollten – wie wir es vorgeschlagen haben – zackzack zu den Åland-Inseln segeln. Das wäre sozusagen Langstrecke gewesen und damit ein klarer Fall für den Windpiloten. Doch daraus wird nichts. Corona, Corona….
„Da haben sich die Covidatoren schon wieder ein paar neue Schikanen ausgedacht!“, motzt Winnie, als er von drohenden Quarantäneaufenthalten erfährt. Wer aus Schweden kommt, darf nämlich nicht ohne Quarantäne nach Finland, und nach Deutschland auch nicht. Das hat der Mann gestern im Internet nachgelesen. „Auch dann nicht, wenn man auf einsamen Inseln war? Was soll denn dieser Quatsch?“ Winnie ist empört.
Was kein Wind und kein Wetter schafft, schafft Corona. Das Virus hat uns komplett ausgebremst. Am schlimmsten aber ist, dass die Frau immer alles in rosa Farben tunkt und glattbügelt. „Rügen ist auch sehr schön“, säuselt sie. „Es gibt hier noch so viel zu erleben!“
Samstag, d. 13.06., Hiddensee – Stimmt. Heute morgen aus Wiek abgefahren und Kurs auf die Insel Hiddensee genommen.
Der Törn ist kurz, und der Anleger in der Marina von Vitte – passend zu unserer Laune – ruppig. Es scheint zwar die Sonne, aber der Wind, der hat seit unserer Abfahrt zugelegt. Er bläst in Böen mit etwa 5-6 Beaufort direkt in die Marina hinein. Jetzt hat plötzlich die Frau schlechte Laune. Sie ahnt, dass das nicht leicht wird.
Direkt an der Einfahrt in Vitte gibt es ein paar wunderbare Boxen, wie für mich gemacht. Breit, mit kräftigen Pollern. In diese Boxen hätte ich ohne großartiges Manöver direkt hineinfahren können, sogar ohne Skipper. Leider steht dort auch ein Schild: „Nur über 14 Meter!“. Ich messe nur zwölf!
Winnie findet, das sei egal. Eine Atlantik-Yacht brauche einfach eine angemessene Box. Punkt. Die Boxen in der nächsten Reihe – auch dort gibt es freie Plätze – seien schlicht zu pieselig für uns.
Der Mann und die Frau beraten kurz und ignorieren Winnies Bedenken. Sie fahren ganz brav in die zweite Reihe. Dort lassen sie mich – ich habe raumen Wind von Steuerbord – direkt in die erste Box hineinsacken.
Der Mann steuert mich ganz nah an den luvseitigen Poller heran. Die Frau legt die Achterleine über und geht gemächlich zum Bug. Sie wirkt erleichtert. Aus ihrer Sicht ist das Manöver jetzt gelaufen. Der Mann wird mich abstoppen und – sollte uns der Wind seitlich vertreiben –in die Achterleine einfahren, um uns gerade in der Box zu halten. Dann kann sie ganz in Ruhe die Vorleinen ausbringen. So der Plan.
Ich hänge kaum in der Leine, da kracht eine Böe gegen Rumpf und Rigg, und nur Bruchteile von Sekunden später kracht der Poller. Er versinkt gluggernd im Wasser.
„Hab´ ich´s doch gesagt. Sie sind zu pieselig, diese Teile!“, schreit Winnie. „Nix wie weg hier!“. Glücklicherweise gibt es keine Schäden an meinem Rumpf – und auch nicht am Steg.Nur der pieselige Poller, der ist Bruch!
Wir legen dann nach einem gewagten Wendemanöver in der Boxengasseund vor zahlreichen neugierigen Zuschauern doch in einer der Boxen für die 14m Schiffe an. Dort sind die Poller stabiler – und unser Manöver klappt diesmal ganz wunderbar. „Hab´ ich doch gleich gesagt“, maunzt Winnie beleidigt.
Danach geht der Mann zum Hafenbüro.Er will einchecken und von unseremMalheur berichten. Von Ferne sehen wir, das der Hafenmeister sehr, sehr laut schimpft. Bei diesem Sturm hätten wir hier nicht festmachen dürfen, hören wir.
Bleiben dürfen wir aber trotzdem.Drei Tage lang wollen der Mann und die Frau jetzt die Insel angucken, bevor wir weiter nach Stralsund, Greifswald und Peenemünde ziehen. Das ist schon fast Polen!
Winnie und ich geben die Hoffnung jedenfalls nicht auf. Wir wollen endlich los ins Blaue!