September 2017, Tenerife, Kanaren – „Nee! Mit so ´ner Granate müssen Sie eher kommen! Dafür habe ich keinen Platz mehr!“, meint die resolute Dame am DHL-Schalter und schickt uns mitsamt unseres Außenborders, den wir mittlerweile mit Schraubenzieher und Maulschüssel um etliche Pfunde auf die geforderte Gewichtsgrenze „verschlankt“ haben, wieder aus dem Laden. Wie kriegen wir das Teil jetzt nur nach Teneriffa? :::
Freitag, d. 1.9. San Miguel, Tenerife – In Norddeutschland ist seit einigen Tagen der Herbst eingekehrt. Des Morgens wird es kalt und feucht, und die Äpfel sind fast reif! Ich bin ein wenig traurig, denn den Spätsommer in Deutschland mag ich gerne. So viele Äpfel am Baum. So viele Brombeeren am Strauch! Was wäre das für eine Marmelade geworden!
Die Ernte aber werden andere einfahren, denn die Crew der TinLizzy ist mittlerweile wieder an Bord. Nach einem wunderbaren „Heimatsommer“ in Brodersby am Ostseefjord Schlei sind wir heute mit dem Flieger in unser schwimmendes Zuhause auf Teneriffa zurückgekehrt.
Wir fühlen uns sofort wieder wohl. Spätabends noch sitzen wir im Cockpit, der Wind weht lau, und anders als daheim reicht hier auch des nachts noch ein kurzärmliges T-Shirt. Frieren ist nicht!
An Bord der TinLizzy ist alles OK, nur der viele Sand an Deck stört. Es muss einen Kalima gegeben haben, der aus dem nahen Afrika rostfarbenen Wüstensand herangeweht hat. Unser Schiff sieht aus, als hätte es eine Fango-Packung abbekommen. Brauner Sand und braune Schlieren überall. Wir werden morgen ordentlich putzen müssen!
Samstag, d. 2.9., Tenerife – Wir wollen unseren Außenborder austauschen. Statt unseres bisherigen (ziemlich schweren) 6-PS-Zweitakters möchten wir für unser Dinghi zukünftig einen leichteren 3,5-PS-Viertakter nutzen. Dazu musste der alte während unserer Abwesenheit in Teneriffa verkauft und der neue von Deutschland nach Teneriffa verschickt werden.
Teil 1 klappte prima. Wir hatten – ganz altmodisch – im Waschraum der Marina einen Zettel aufgehängt. Schon nach einer Woche meldete sich per SMS ein Interessent. Nick, der mit seinem Schiff Malok ebenfalls hier im Hafen liegt und zusammen mit seiner Mutter in die Karibik unterwegs ist, suchte einen Zweitakter und fand: unseren Zettel. Wir wurden handelseinig, er holte sich das Ding bei uns an Bord ab und überwies das Geld auf unser Konto. Netterweise bat er außerdem an, ab und an nach unseren Leinen zu schauen! Wir waren baff erstaunt, wie reibungslos das alles ging.Es gibt noch nette Menschen auf der Welt!
Teil 2 aber hat es in sich. Zwar konnten wir in Deutschland problemlos einen Motor unserer Wahl finden. Es hat keine 2 Tage gedauert, bis „der Neue“ in Deutschland bis zur Haustür geliefert wurde. Wie aber transportiert man einen Außenborder von Deutschland nach Teneriffa? Sperrgepäck? Geht nicht. Die Fluglinie transportiert nur Elektromotoren, keine Verbrenner.
Blieb nur: Versand per DHL. Ein Anruf ergab, dass dies möglich sei und ein Versand auf die Kanaren an eine „Yacht in Transit“ keine Probleme bereiten sollte.
Drei Tage vor unserer Abreise packten wir unser Paket und hievten das Monsterteil mit vereinten Kräften zum DHL-Schalter. Auf der Waage zeigte sich allerdings, dass wir die Rechnung ohne den Wirt gemacht hatten: Wir vergaßen, dass auch Verpackung etwas wiegt. Unser Paket war trotz unseres leichtgewichtigen Motors zu schwer und überstieg die 20kg-Marke. Nix ging mehr!
Nachmittags um halb drei standen wir mit einem Paket von exakt 19,5 kg wieder bei DHL. Doch es sollte nicht ein. „Nee! Mit so ´ner Granate müssen Sie eher kommen! Dafür hab ich heute keinen Platz mehr!“, schimpfte die resolute Dame vom Schalter und schickte uns mitsamt unseres Außenborders, den wir mit Schraubenschlüssel und Zange um etliche Pfunde auf die geforderte Gewichtsgrenze „verschlankt“ hatten, wieder aus dem Laden. Glücklicherweise gibt es mehrere DHL-Stationen in der Stadt, und in der nächsten wurden wir unser Paket los. Wir buchten Premium-Versand, und sorgten uns: Hoffentlich ist unser Paket nicht vor uns auf Teneriffa!
Jetzt sind WIR auf Teneriffa angekommen, UNSER PAKET noch nicht. Seit fünf Tagen ist es unterwegs! Im DHL-Tracking sieht Jochen: Unser Motor ging zunächst nach Dorsten, dann nach Hannover. Schließlich nach Speyer, dann wieder nach Hannover. Was ist das denn? Spielt DHL Ringelreihen? Geht das Paket etwa wieder zurück? Ein Versuch, bei der DHL-Hotline etwas herauszufinden, scheitert.
Der Hausputz auf TinLizzy geht schnell voran. Schon um 14 Uhr ist der braune Dreck vom Deck verschwunden, alle Stahlteile sind vom Flugrost befreit und gewienert, und auf dem Vorschiff hängt eine Wäscheleine mit duftender, frisch gewaschener Bettwäsche. Die Krönung des Tages: Ein erneuter Anruf bei der DHL Hotline bringt Klarheit. Unser neuer Außenborder ist immer noch unterwegs und wird irgendwann ankommen. Wir waren einfach schneller als DHL.
Sonntag, d. 3.9., Tenerife – Wir haben uns wieder eingewöhnt. Ein Mietwagen ist beschafft, die Vorräte sind aufgestockt, und nach ein paar letzten Ausflügen auf der Insel könnte es demnächst weitergehen. Wenn da nicht unser Außenborder wäre…. Unser Paket ist immer noch nicht da, und DHL vermeldet nach nunmehr 6 Tagen: „Das Paket wird zur Zustellung ins Zielland vorbereitet“.
Nachmittags treffen wir uns mit Nick und Anna von der Malok. Wir plauschen ein wenig. Auch Nick hat seine Erfahrungen mit dem Versand von Yachtzubehör gemacht. Er wartete in Agadir, Marokko, wochenlang auf eine Lieferung. Aber Agadir ist Afrika!!!!
Montag, d. 4. 9, Tenerife – Unser Außenborder wird jetzt „zur Verzollung vorbereitet“, was auch immer das heißen mag. Wieso Verzollung ???? Wir lassen uns die Laune nicht verderben und erkunden mit dem Mietwagen die nächsten potentiellen Ankerbuchten oder Yachthäfen. Wir wollen Richtung La Gomera.
Unser Stegnachbar Rick, der sich als Marine-Engineer auf der Insel sein Geld verdient und schon seit Jahren hier lebt und segelt, hat uns einen Tipp gegeben. Wegen des momentan tendenziell sehr starken NO-Windes in der „Acceleration Zone“ zwischen den Inseln sollten wir zunächst im Windschatten Teneriffas Richtung Norden fahren, dort vor der Schlucht von Masca über Nacht an den Mooringtonnen der Ausflugsschiffe festmachen und dann gleich morgens mit aufkommendem Wind auf Raumschot- oder Vormwindkurs Richtung La Gomera laufen.
Wir fahren mit dem Mietwagen los und wollen alles erkunden. Zunächst arbeiten wir uns auf der vielbefahrenen Autobahn TF1 in Richtung Norden voran und lassen Los Christianos und die Costa Adeje links liegen. Beide Orte kennen wir schon von Landurlauben. Man muss sie kein zweites Mal besuchen. Hier ist die Insel einfach hässlich, hässlich, hässlich – und würden die Resorts und Appartmentanlagen in diesem Gebiet nicht mit viel Aufwand und Energie künstlich bewässert, dann wäre hier nur: Wüste. Dafür gibt es hier aber Sonne satt, und niemals Regen ….
Der Ort „Los Gigantes“ weiter im Norden interessiert uns dennoch. Hier gibt es einen kleinen Hafen vor malerischer Felskulisse, der ebenfalls für uns passen könnte. Tatsächlich hat „Los Gigantes“ was. Um den kleinen Sportboothafen herum stehen zahlreiche Kneipen, Restaurants und Souvenierläden. Langweilig wäre es hier nicht. Bei näherem Hinsehen erweist sich die Einfahrt in den Hafen allerdings als abenteuerlich, sie ist eng und flach. Selbst wenn wir – bei Hochwasser – hineinkämen, so stünde sehr infrage, ob wir es am nächsten Morgen auch wieder hinaus schaffen würden. Bei viel Welle wollen wir hier weder rein noch raus, und Lust auf eine weitere Warteschleife irgendwo haben wir nicht. Uns zieht es nach Gomera, und deshalb streichen wir „Los Gigantes“ aus unserem Programm.
Auf dem Rückweg zu TinLizzy machen wir einen Abstecher zum Teide. Durch die grünen Hänge des Tenos-Gebirges arbeiten wir uns auf Serpentinen hinauf bis zum Plateau. Hier ändert sich das Landschaftsbild, und wir fahren über weite, karge Lava-Flächen mit fantastischen Ausblicken zum Berg – und zum Ozean. Da kann die Schlei nicht mithalten!
Dienstag, d. 5.9., Tenerife – Auch mehrmaliges, energisches Klicken auf unseren Link zum DHL-Tracker ändert nichts: Unser Paket wird „im Zielland“ immer noch „zur Verzollung vorbereitet“. Eigentlich wollten wir den neuen Motor heute abholen! – Nun nutzen wir unseren Mietwagen für einen weiteren Inselausflug.
Wir wollen nach Garachico, ebenfalls im Westen der Insel gelegen. Mit unserem kleinen Flitzer passieren wir an der Südwestküste erneut die Ödnis der tinerfensischen Tourismusindustrie, verlassen die Autobahn bei Santiago de Teide und landen: IM PARADIES!! Auf abenteuerlichen Serpentinen geht es zunächst aufwärts in das Tenos-Gebirge, dann abwärts zur Küste. Überall ist es grün, und die Ortschaften wirken heimelig und authentisch. Hier gefällt es uns.
Schon bald haben wir von oben Ausblick auf das Hafenstädtchen Garachico. Garachico ist ein Ort ohne Strände, wohl deshalb sind die typischen Sonnentouristen hier nicht zu finden. Es ist erstaunlich leer, und selbst in den Becken der Felsbadeanstalt ist reichlich Platz. Wir aber wollen nicht baden und gehen ins Zentrum. Dort finden wir schnuckelige alte Gassen, kleine Grünanlagen und ein tolles Fischrestaurant. Wir kehren ein bekommen das beste Essen, dass wir jemals auf den Kanaren gegessen haben.
Auf der Rückfahrt fahren wir auf einer Alternativroute mit kleineren Straßen durch das Teno-Gebirge und passieren zahlreiche Barrancos – so auch die Barranco de Masca. Das Panorama ist atemberaubend.
Mittwoch, d. 6.9., Tenerife – Noch ist es windstill, aber gleich wird es wieder mit sechs Beaufort kacheln. Mein Mann nutzt die Zeit deshalb für einen Rigg-Check und lässt sich von mir hoch in den Mast ziehen. Während ich die Winschen bediene und ihn, gesichert mit dem Spi-Fall, am Groß-Fall immer höher ziehe, kontrolliert Jochen unterwegs alle Warten und Splinte. Alles OK! Jetzt noch mit dem Schlauch den Wüstensand aus dem Windanzeiger und den Wanten spülen – und dann geht es wieder abwärts. Nach dieser Aktion ist TinLizzy´s Deck erneut völlig eingeschlämmt. Wir haben wieder was zu tun :-).
Status DHL , Tag 8, 15 Uhr: „Ihr Paket wird im Zielland zur Verzollung vorbereitet….“.
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