Mai 2015 – Troia: Auf TinLizzy hängt – im wahrsten Wortsinne – der Haussegen ein wenig schief. Wir sitzen vor Troia auf Schiet, warten auf die Flut – und haben einiges dazugelernt. Glücklicherweise sorgt ein umwerfendes Naturschauspiel im ab- und wieder auflaufenden Wasser und ein grandioser Panoramablick zum Hafen von Setubal trotz Schieflage für „Gutwetter“! :::::
Donnerstag, 7. Mai – Manchmal verstehe ich unser Seglerleben nicht: Wir haben alle Zeit der Welt, um uns herum – in der Bucht von Cascais bei Lissabon – ist es wunderschön. Ein paar nette Strandtage, noch ein paar Tage Stadtluft, das müsste doch drin sein, oder? Ist es nicht.
Jochen will weiter. Cascais ist ihm zu schickimicki, Lissabon zu touristisch, und irgendwas treibt ihn voran, voran! Er ist schon frühmorgens um sieben Uhr auf, macht Frühstück, serviert leckeren Toast – und bald ist klar: Er muss, muss unbedingt los heute, der Wind ist gut für einen Ritt nach Setubal, hoch am Wind kämen wir bis nach Cabo Espichel, und dann würden wir nur mit Genua vorm Wind ganz gemütlich nach Osten schippern in den Rio Sado. Dort gebe es: jede Menge kleine Buchten, oder sogar – in Troia – einen schicken Yachthafen.
Ich wäre zwar gerne noch im Umkreis Lissabon geblieben, und bin etwas genervt – aber noch zu müde, um gegenan zu halten. Außerdem hat der Skipper mit diesem tollen Frühstück irgendwie gepunktet. Um neun Uhr ist der Abwasch gemacht und das Schiff klar zum Auslaufen. Wir holen den Anker ein, gehen auf Kurs – und ich, ich haue mich fürs erste wieder in die Koje und lasse den Skipper alleine Skipper sein.
Zwei Stunden später, nun endlich ausgeschlafen und im Reinen mit der Welt, tauche ich wieder auf. Tatsächlich! Das ist schönstes Segeln, und sicher besser als Ankerliegen vor Cascais. Wir sausen an der Küste entlang, teilweise unter Segel und Motor; wir passieren die Strände von Albufeira, und schon bald kommt das Kap in Sicht. Gigantische Felsenformationen, an denen man so manches Erdenzeitalter abzählen kann. Wir staunen ob dieser Naturwunder; und jetzt ist nicht nur der Skipper gut gelaunt, sondern auch ich.
Wir runden das Kap, segeln nun beschaulich auf Raumschotkurs – und weiter geht´s mit dem Küstenkino: Wir passieren Sesimbra, das Fischerstädtchen mit Yachthafen und Traumbucht. Wir lassen auch Portinho de Arrabida links liegen, laut Revierführer eine der schönsten Ankerbuchten Portugals. Jochen will nach: Troia. Dort hat er irgendwo eine kleine Bucht ausgemacht, in der er trockenfallen möchte.
Meine Laune verschlechtert sich wieder: Trockenfallen? In einer Bucht, für die wir keine richtige Karte und also keine Tiefenangaben haben? Ist nicht mein Ding. Würde ich als Skipperin nie machen. Aber gut. Jochen ist der Schiffsführer, seine Entscheidung!
Es ist später Nachmittag, wir haben halbe Tide, also rein in die Bucht, auf Sicht navigieren. Ich stehe vorne am Bug und schaue, ob´s passt. Es passt. Wir finden eine Stelle, die eben ist, und schließlich fällt der Anker.
Jetzt machen wir uns erstmal was Leckeres zu Essen. Bis der Salat geschnippelt, die Kartoffeln gebacken und die Koteletts gebraten sind, vergeht eine Stunde; bis wir gegessen, verdaut und den Abwasch erledigt haben, eine weitere. Als wir uns dann mit unserem Schlauchboot an eine kleine Landexpedition wagen, ist es schon ziemlich dunkel. Wir können fast nichts mehr sehen, nur soviel: Der Strand ist voll von Mauerresten, und überall liegen die Skelette von alten Schiffen. Wir rudern zurück und genießen bei einem Glas Wein den Ausblick von unserer Terasse: Auf der gegenüberliegenden Seite erstrahlt das nächtliche Hafenpanorama von Setubal, und ab und zu fährt die Fähre vorbei. Das gefällt uns – als ehemaligen Hamburgern – natürlich ausgesprochen gut.
Freitag, 8. Mai – In der Nacht fällt das Wasser, irgendwann setzen wir auf, TinLizzy steht. Ab und zu schauen wir nach dem Rechten, alles ist in Ordnung. Am nächsten Morgen haben wir wieder Hochwasser, und wir könnten wieder los. Doch weil wir beim letzten Landgang so wenig gesehen haben, beschließen wir, noch eine Tide zu bleiben. Uuuups – das war ein Fehler!
Zwar ist unsere morgendliche Schlauchbootexpedition ein voller Erfolg – wir staunen und staunen. Auf den Sandbänken zwischen den Prilen haben sich zahlreiche Muschelsucher eingefunden. Überall entstehen kleine Inseln, die sofort von den Wasservögeln in Beschlag genommen werden. Im Wasser wiegen sich die Algen und kleine Seeanemonen, und ab und an springen ein paar Fische im Strom.
Doch als wir zurück an Bord kommen, passiert es: Das Wasser fällt wieder, wie schon nachts, aber diesmal stehen wir gar nicht gut. TinLizzy kippt, und kippt, und kippt …..
Da wird Jochen dann doch nervös. Irgendwie sackt TinLizzy auf der Steuerbordseite immer weiter in den Schlick. TinLizzy hat diesmal direkt am Rand eines Prils aufgesetzt. Backbord ist´s schon trocken, steuerbord fließt noch das Wasser und nimmt den Sand mit. Wir stabilisieren das Schiff, indem wir den zweiten Anker als Haltepunkt benutzen und das Spi-Fall zum Aufrichten einsetzen. Trotzdem stehen wir so schief, dass man sich an Bord kaum aufhalten kann. Es dauert Stunden, bis das Wasser wieder steigt – und erst am Nachmittag haben wir uns aus unserer Schieflage wieder befreit.
Wir debattieren hin und her: war es ein Fehler, diese Bucht anzulaufen und hier trocken zu fallen? Wahrscheinlich ja, räumt der Skipper ein – wir hätten erst einmal davor ankern und dann Ausschau halten sollen. Die Zeit dazu hätten wir ja. Ich allerdings muss einräumen: Zu erzählen hätten wir dann nichts gehabt. Einfach irgendwo vor Anker liegen – das wäre gegen unser heutiges Abenteuer doch ziemlich langweilig gewesen!
Es grüßt Euch Barbara …
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