Juni 2015, Rio Guadiana: Im Morgengrauen werde ich wach. Es ist angenehm kühl, irgendwo am Ufer blöken ein paar Schafe, ein Hund bellt, und weiter im Norden kräht ein Hahn. Wann habe ich so etwas das letzte Mal gehört? Es muss Jahrzehnte her sein…
Am Rio do Guadiana ist die Zeit stehengeblieben, und eine träge, freundliche Ruhe liegt über den Hängen am Ufer. Kaum zu glauben, dass es hier an diesem Fluss, der die Grenze zwischen Portugal und Spanien bildet, früher einmal schwere kriegerische Auseinandersetzungen gab! An eine Grenze erinnert heute nichts, aber auch gar nichts mehr, nur …. mein Mobiltelefon, das begrüßt mich freundlich abwechselnd in Portugal und in Spanien. ::::::
Montag, d. 15.6., Vilamoura – Wir sind aus der Lagune von Faro zurückgekehrt in den Hafen von Vilamoura. Glücklicherweise halten sowohl der Segelmacher als auch der Mechaniker ihr Wort. Gegen Nachmittag ist der Sonnenschutz für unsere Cockpitfenster montiert und der Außenborder, der uns in den letzten Tagen so viel Ärger gemacht hat, abgeholt. Die Wartezeit an Bord haben wir ausgenutzt, um unsere Ankerklappe provisorisch mit Schrauben zu reparieren. Das muss erstmal halten bis zum nächsten Werftaufenthalt, wo auch immer der sein mag.
Dienstag, d. 16.6., Vilamoura – Regenwetter ist angesagt. Wir nehmen uns einen Mietwagen, erkunden die Berge im Norden und machen einen Abstecher nach Loulé und Sao Bras de Alportel, zwei wunderschönen kleinen Städtchen mit altem Ortskern, vielen Kirchen, Klostern und anderen alten Steinen. Beeindruckend, sogar bei Regenwetter! Wenn die Wolken aufreißen, erhaschen wir manchmal einen Ausblick bis zum Ozean. In Sao Bras de Alportel besuchen wir das Landmuseum, das in einem ehemaligen Gutshof untergebracht ist und in dem die Lebensweise der Landbevölkerung des letzten bzw. vorletzten Jahrhunderts dokumentiert ist. Sehr eindrucksvoll, doch leider sind wir die einzigen Besucher!
Mittwoch, d. 17.6., Vilamoura – Der Außenborder ist gereinigt, überholt und geliefert, und eigentlich könnte es jetzt losgehen Richtung Osten. Nur noch kurz das Schlauchboot aufpumpen, damit wir das nicht in der Ankerbucht machen müssen. Doch Uuups – da geht uns doch prompt die Luftpumpe (ist wie auch das Schlauchboot bereits mehrfach geflickt) kaputt! Für unser Schlauchboot, ein über 10 Jahre altes Billig-Teil aus China, gibt es hier weit und breit keine passende Ersatzpumpe und auch keinen Adapter, das wissen wir schon. Mist. Was tun? Wir kaufen ein neues, das gibt es glücklicherweise. Unser Vilamoura-Aufenthalt ist echt teuer geworden!
Gegen Nachmittag, das neue Schlauchboot ist verladen – heisst es dann endlich: Leinen los. Heute kommen wir aber nicht mehr bis Tavira, unserem nächsten Traumziel. Dort bräuchten wir zum Einlaufen mindestens halbe Tide, und das passt heute nicht mehr. Wir legen deshalb einen Zwischenstop in unserer Lieblingslagune vor Faro ein und ankern kurz hinter der Einfahrt direkt vor der Ilha Deserta. Da wir Springzeit haben, steht ein starker Strom, und wir müssen einen zweiten Anker ausbringen. Mit ca. 2-3 Knoten saust der Tidestrom um unseren Bug. Unmöglich, dagegen anzuschwimmen! Bei unserem abendlichen Bad halten wir uns deshalb dicht an der Badeleiter. Schwimmen mit Gegenstromanlage, immer mit Blick auf das Heck….
Von einem Landgang muss uns das aber nicht abhalten, denn diesmal haben wir ein funktionierendes Beiboot mit Motor. Wir setzen über zur Ilha Culatra und gehen in Farol essen. Hier gibt es hauptsächlich portugiesischen Tourismus, und deshalb bekommen wir dort frische Muscheln vom Feinsten und ein wunderbar zartes Steak für kleines Geld.
Donnerstag, d. 18.6., Ilha Tavira – Puuh, das war ein harter Tag! Gleich morgens Schwerstarbeit geleistet beim Einholen des zweiten Ankers (armer Jochen!). Leider standen Wind gegen (Spring-)Tide so blöd, dass wir unseren kleinen Zweitanker nur unter großer Mühe aufholen konnten. Schließlich ist es geschafft, und wir segeln los.
Hoch am Wind machen wir zunächst gute Fahrt, doch irgendwann lässt der Wind nach, wir kommen gegen die Welle nicht mehr an und müssen den Motor anschmeissen…. Und hier, ja hier holt uns wieder unsere Pechsträhne ein! Auf halber Strecke haben wir plötzlich Motoralarm. Überhitzung. Die Kühlung des Diesel scheint irgendwie verstopft. Haben wir auch hier Krabbenprobleme??? Wir reduzieren die Drehzahl, setzen wieder Segel, checken derweil den Kühlkreislauf (scheint ok…), und warten hab.
Vor Tavira springt der Motor ohne Murren wieder an. Wir laufen bei halber Tide in die Lagune ein. Aber auch hier wird es aufregend. Wir müssen lange nach einem passenden Ankerplatz suchen, und….. immer wieder geht der Diesel aus. So ein Sch… Glücklicherweise sind wir mittlerweile ziemlich relaxt, und solche „kleinen“ Missgeschicke bringen uns nicht mehr aus der Ruhe.
Freitag, d. 19.6., Tavira – Landausflug nach Tavira. Unser neues Dinghi macht sich gut, und der von Krabben gesäuberte Motor schnurrt. Wir kommen mit dem neuen Beiboot sogar ins Gleiten und schaffen es, den Fähren davon zu fahren…. Wir erkunden die Stadt ein wenig, machen uns dann aber relativ schnell wieder auf den Rückweg, weil wir keine schöne Landestelle für unser Dinghi finden konnten. Schon bei der Landung liegen wir im Modder, und es steht zu befürchten, dass wir wegen Ebbe jetzt ewig durch den Schlamm waten müssen.
Nachmittags schwimmen wir ausgiebig, machen einen Dingbi-Ausflug an den Atlantik-Strand der Ilha Tavira – und abends gehen wir essen. Auch hier – mangels internationaler Touristen – wieder kleine Preise….
Montag, d. 22.6.2015, Vila Real de Santo Antonio – Nach drei entspannten Tagen vor Anker in der Lagune von Tavira sind wir heute weitergezogen und am frühen Abend im Grenzfluss Guadiana angekommen. Eine wunderbare SW-Brise brachte uns nur unter Genua bis in die Flussmündung. Wir laufen genau mit Stillwasser in die Marina von Guadiana ein, denn die Pontons der Hafenanlage liegen voll im Strom. Da sind wir lieber auf Nummer sicher gegangen, schließlich spackt unser Diesel ja wieder mal gelegentlich.
In der Marina ist dann aber alles ganz entspannt: Es wartet schon ein Marinero auf uns und nimmt die Leinen an. Da wir nach 5 Tagen vor Anker rundum ziemlich eingedreckt sind, fangen wir – kaum sind wir fest – sofort mit den Reinigungsarbeiten an: Deck abgespült, Waschmaschine angestellt, Wasser nachgefüllt, geduscht…. Danach: Essen gehen im Restaurant „Cacarol“. Einfach, aber gut!
Dienstag, d. 23.6., Vila Real de Santo Antonio – Diese Stadt ist der Wahnsinn! Im Ortskern ist alles, aber auch alles tipptopp in Schuss, und es reiht sich ein Ladenlokal an das andere. Die Geschäfte florieren offensichtlich, denn eine Flussfähre bringt jeden Tag Massen von spanischen Einkaufstouristen aus dem gegenüberliegenden Ayamonte in die Stadt. Die profitieren von dem – im Vergleich zu Spanien – niedrigeren Preisniveau in Portugal und decken sich mit Bekleidung, Wäsche und anderen Dingen des täglichen Bedarfs ein… Wir flanieren und staunen, kaufen aber nichts außer Lebensmitteln, denn wir haben unser Budget für diesen Monat bereits ausgeschöpft…
Mittwoch, d. 24.6., Rio do Guadiana – Am frühen Nachmittag sind wir in Vila Real aufgebrochen und flussaufwärts gefahren. Seit unserem Eider-Törn im letzten Jahr lieben wir die Flussläufe, und obwohl unsere Seekarten keine verlässlichen Tiefenangaben aufweisen, wollten wir uns an eine Tour Richtung Norden wagen. Von anderen Seglern wissen wir, dass das möglich ist – sofern wir uns immer in der Mitte des Flusses bzw. in Kurven an der (tiefen) Außenseite halten. So machen wir´s – und haben großes Glück. Den größten Teil der Strecke können wir segeln, denn der Wind kommt aus Süd!
Direkt hinter einer großen Autobahnbrücke, die ein wenig nördlich von Ayamonte bzw. Vila Real den Fluss quert, beginnt das große Naturschauspiel. Keine Zivilisation – bis auf eine wenig befahrene Straße, die sich auf portugiesischer Seite Richtung Norden zieht. Ab und zu ein paar verfallene Häuser. Ansonsten: Schilf, Weiden, dahinter OIivenhaine und Eukalyptuswälder.
Wir ankern zur Nacht kurz vor dem Städtchen Alcoutim. Hier sind wir wirklich fast am Ende der Welt – und auch auf AIS bzw. vesselfinder sind wir nicht mehr zu finden. „Out of range“, meldet das System.
Es ist hier so friedlich wie nie zuvor auf unserer Reise. Der Schilfsaum säuselt im Wind. In der Dämmerung springen die Fische gegen den Strom, es plätschert allerorten, und am Ufer beginnt ein vielstimmiger Vogelchor. Mit dem Einbruch der Dunkelheit, der Wind ist mittlerweile eingeschlafen, verstummen die Vögel. Die Grillen übernehmen das Konzert.
Wir sitzen noch lange im Cockpit und lauschen, bevor wir gegen Mitternacht in die Kojen steigen.
Es grüßt Euch,
Barbara
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