Mai 2016, Madeira, Nordatlantik: Wir ankern direkt vor einem schlafenden Drachen. Ganz harmlos sieht er aus, den linken Vorderlauf unter das Maul geschoben, die Augen geschlossen. „Was Du so alles siehst…“, wundert sich Jochen kopfschüttelnd, während er noch einmal das Ankergeschirr checkt. So werden wir also, umgeben von einer märchenhaften Felskulisse, eine ruhige Nacht in der Enseada de Abra verbringen ::::
Madeira, Samstag, d. 28. Mai – Morgens gegen 8:30 verlassen wir den Hafen von Porto Santo. Wir sind ein wenig traurig, denn es hat uns gut gefallen auf unserer kleinen „Trauminsel“, und wir haben nette Leute kennengelernt. Dirk und Ulrike etwa mit ihrem Schiff Mariposa. Sie wollen – wie wir auch – irgendwann auf die Azoren. Wir haben in abendlicher Runder noch manch andere Gemeinsamkeit entdeckt…. Oder Mai und Johan, die im Winter (!) aus Schweden aufgebrochen sind, und die nicht nur erfahrene Segler, sondern auch tolle Filmemacher sind.
Dennoch: Jetzt müssen wir los. Nur heute weht ein für uns perfekter Madeira-Wind, 4-5 Windstärken aus Nordwest, dabei schönster Sonnenschein und eine moderate Welle.
Kaum haben wir die Hafenmole passiert und die Segel gesetzt, da setzt TinLizzy auch schon zum Spurt an: Wir sausen mit durchschnittlich 8 Knoten durch die See. DIes ist ein Wetter, bei dem mein Skipper Leuchtaugen bekommt, das kann ich trotz Sonnenbrille sehen!
Wir sausen und sausen, und erst als wir die Textur der Küste Madeiras schon deutlich erkennen können, reffen wir ein wenig ein, da wir im Lee der Berge Düseneffekte und Starkwind befürchten.
Die hohen Bergrücken Madeiras waren schon von weitem zu sehen. Wir nähern uns der Insel von Nordosten her. Dies ist, weil sich wegen der vorherrschenden Winde hier häufig Wolken bilden, die rauhe – und dunkle – „Wetterseite“ der Insel. Auch heute zeigt sich die Insel verhangen, obwohl eigentlich Hochdruck und Schönwetter angesagt sind.
Wir laufen unter Wolken in allen Grauschattierungen in die Enseade de Abra ein, eine der wenigen Buchten von Madeira, in der man ankern kann. Schon gegen Mittag finden wir unser Plätzchen. Der Grund ist fantastisch, und unser Rocna-Anker gräbt sich sanft in den Boden ein.
Jetzt erstmal ein kleiner Mittagsschlaf, dann schwimmen gehen, kochen, essen und: wieder ausruhen. Das Panorama dafür ist fantastisch. Wir liegen ruhig wie in Abrahams Schoß, nur gelegentlich wiegt uns ein leichter Schwell.
Rund um uns herum zeigen sich Felsformationen in immer neuen Farbschattierungen, Schichtungen und Texturen. Je nach Lichteinfall sehen wir ockergelbe, sattgrüne, rostrote, kastanienbraune und tiefgraue Steinstrukturen; entdecken Brüche, Verwerfungen, Schlote, Kanten, Löcher und Schlunde. Whow! Hier muss wirklich was los gewesen sein in grauer Vorzeit! Diese Bucht ist ein echtes Museum für Erdgeschichte und Geologie! Wenn wir uns nur besser auskennen würden!
Im letzten Tageslicht machen wir einen Ausflug mit dem Dinghi, um für den nächsten Tag eine gute Stelle für einen Landausflug zu finden. Das Anlanden ist nicht leicht, denn der Strand ist überall felsig und steinig, aber schließlich finden wir – versteckt in einer kleinen Bucht – einen kleinen Anleger für Ausflugsboote, von dem sogar eine Treppe hinauf auf die Felsen führt. Perfekt! Doch heute ist es zu spät.
Wir kehren zurück zum Boot, und ich entdecke: Wir ankern direkt vor einem schlafenden Drachen. Ganz harmlos sieht er aus, den linken Vorderlauf unter das Maul geschoben, die Augen geschlossen. „Was Du so alles siehst…“, wundert sich Jochen kopfschüttelnd, während er, ganz praktisch, das Ankergeschirr checkt. Der Drache schläft, der Anker fasst: So werden wir also, umgeben von einer märchenhaften Felskulisse, eine ruhige Nacht in der Enseada de Abra verbringen….
Baia de Abra, Sonntag, d. 29. Mai – Die Nacht ist wirklich ruhig, aber dennoch stehen wir mehrmals auf, um zu staunen: Um uns herum ist es dunkel (!!!) – und deshalb sehen wir einen Sternenhimmel, der seinesgleichen sucht. Mit der Sternen-App finden wir Mars, Jupiter und Saturn. Den großen Wagen, Kassiopeia, die Milchstraße ….
Natürlich hat jedes Paradies auch seine Schattenseiten – und diese dunkle Seite entdecken wir am nächsten Morgen nach dem Frühstück. Hier gibt es zwar viel Panorama, aber kein bzw. schlechtes Netz. Telefonieren geht manchmal, Datentransfer aber nicht. Also keine Zeitung lesen, und auch das Bild vom schlafenden Drachen, das Tochter Hanna angefordert hat, lässt sich nicht verschicken. Das sind wir gar nicht mehr gewöhnt, in Portugal ist sonst überall Netz, mindestens 3G. Na ja, macht nix – dann eben später.
Wir machen uns mit unserem Dinghi auf zum Landausflug. Der Anleger, den wir gestern schon entdeckt haben, ist perfekt. Als wir Ebene auf den Felsen über die Treppe erreichen, wartet das nächste Super-Panorama auf uns. Wir können es kaum glauben – ein Traumausblick nach dem anderen tut sich auf, und TinLizzy haben wir immer im Blick.
Wir wandern ein Stück aufwärts, und zunächst sind wir noch allein. Im Laufe des Vormittags aber füllt sich das Plateau. Eine Wandergruppe nach der anderen kommt her, um die Aussicht zu genießen. Als wir gegen Mittag wieder zu unserem Dinghi zurückkommen, ist auch die Anlegestelle dicht belagert: Eine etwa 10-köpfige Truppe aus dem Schwäbischen nutzt sie als Badeplattform.
Wir fahren zurück zum Schiff, und uns fällt auf: Wie auf kleinen Ameisenstrassen bewegen sich die Wanderer durch die Felsen, einer nach dem anderen …
Das Wasser ist azurblau, und man kann bis auf den Grund schauen. Das ist so verlockend, dass auch wir erstmal ein Bad nehmen, und zwar im Adamskostüm. Jochen ziert sich erst, lässt sich aber überzeugen: Den Drachen und die Ameisen wird das nicht stören, und sonst ist niemand hier!
Quinta do Lorde, Montag, d. 30. Mai – Der Tag beginnt mit einem ausgiebigen Bad in der Bucht. Die Sonne ist hinter den Bergen noch nicht aufgegangen, und wieder bleiben die Badesachen trocken…. Wir sind ganz allein in der Ankerbucht, und die „Ameisen“ sind noch nicht da.
Es sieht aber so aus, als ob das Wetter stabil bleibt. Sonne, Sonne, Sonne, – und wenig Wind. Wir werden heute die Bucht verlassen, um wieder in einen Hafen zu gehen, aber weit werden (wollen) wir nicht kommen ohne Wind.
Am frühen Nachmittag lichten wir den Anker, schmeißen den Motor an und kündigen uns per Funk in der nahe gelegenen Marina „Quinta do Lorde“ an. Dort werden wir wieder ein paar Tage bleiben, um die Insel zu erkunden.
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