Juli 2019, Ile de Brehat, Bretagne – (BW) Während die Felsen immer höher ragen, werden die Wattflächen von den Vögeln erobert, die sich mit lautem Gekreisch um Muscheln, Krebse und anderes Getier streiten. Schließlich ist alles Wasser abgelaufen, und wir stehen. Jetzt wird es schlagartig still. Alle Muscheln, alle Krebse, alle Würmer sind verzehrt, die Möwen ziehen weiter. Irgendwo ist immer Niedrigwasser. ::::
Freitag, d. 19.07., L´Aber Benoit, Bretagne – Die Vorräte sind aufgestockt. Der Wind weht aus der richtigen Richtung. Es geht wieder los. Unser heutiges Ziel ist die Bucht von L´Aber Wrac an der französischen Nordatlantikküstel. Leider ist das Wetter schlecht, denn mit dem SW-Wind kommen auch Wolken – und Regen. Wir verpacken uns nach langer Zeit erstmalig wieder dick in unsere Segelklamotten und holen unsere Rettungswesten hervor. Wir sehen aus, als wollten wir auf Island-Törn gehen….
Um 13:00 Uhr legen wir ab, und gleich hinter der Hafenmole setzen wir die Segel und sausen in Richtung Nordwesten. Schon um 14:30 Uhr, pünktlich mit dem Beginn des nordsetzenden Tidenstroms, haben wir den „Chenal du Four“ erreicht, ein Kanal, der die westlichen Inseln vom Festland trennt. Auch den Chenal du Four sollte man nur befahren, wenn Tide und Wind günstig sind. Dies ist heute eindeutig der Fall! Ein südlicher Wind und ein mächtiger Tidenstrom schieben uns mit bis zu 9 Knoten in Richtung Norden durch die Enge.Die Sicht ist stellenweise so schlecht, dass wir das Radar anschalten. Es sind nämlich einige Schiffe auch in umgekehrter Richtung unterwegs. Sie kreuzen gegen Wind und Strom langsam und mühevoll auf, und denen wollen wir nicht in die Quere kommen.
Alles geht gut, und schon bald haben wir den „Chenal“ und auch das französische „Kap Finisterre“ hinter uns gelassen. Jetzt laufen wir in nordöstlicher Richtung. Auf AIS sehen wir, dass zahlreiche Schiffe die Bucht von l´Aberwrac anlaufen. Werden wird dort noch einen Platz finden? Wir ändern unsern Plan und gehen stattdessen in die benachbarte Bucht von l´Aber Benoit. Die Einfahrt ist „kurvenreich“, denn das Ufer ist von Felsen und Untiefen gespickt. Welch ein Glück, dass wir moderne Navigationssysteme haben. Noch vor 20 Jahren wäre diese Einfahrt ein echtes Abenteuer gewesen!
Gegen 18:00 Uhr liegen wir am Haken. Die Bucht von Benoit ist wunderschön und von Stränden und felsigen Steilküsten umsäumt. Überall grünt und blüht es. Wir fühlen uns fast wie zuhause an der Schlei!
Während wir das Abendessen zubereiten, beobachten wir, wie das Wasser fällt. L´Aber Benoit hat derzeit einen Tidenhub von etwa 6 Metern! Da kann man zuschauen, wie mit dem ablaufenden Wasser die Ufer „wachsen“…
Samstag, den 20.07., Ile de Batz, Bretagne – Heute morgen mit dem Dinghi an Land gefahren, um einkaufen zu gehen. Wir machen am Anleger fest, doch als wir wiederkommen, ist das Wasser abgelaufen, und zwischen Dinghi und Fluss ist ein meterlanger moddrig-sandig-steiniger Streifen Land entstanden. Jochen und Felix müssen es etwa 20 Meter über Land schleppen, bevor wir – wieder im Wasser – einsteigen und zurück zu TinLizzy schippern können.
Gegen 15 Uhr machen wir uns auf den Weg, um – mit der Tide – vorm Wind zur Ile de Batz zu segeln. Es weht nur ein leichter WSW, und da wir nach Nordosten segeln wollen, schippern wir genau vorm Wind. TinLizzy „schleicht“ mit 3-4 Knoten durch das Wasser, aber da uns die Tide schiebt, kommen wir über Grund trotzdem mit 5-6 Knoten voran. Manchmal flappen die Segel ein wenig, denn es läuft eine ordentliche Dünung aus dem Atlantik mit uns mit. Immer, wenn wir eine Welle hinab surfen, werden wir schneller als der Wind…. Ein eigenartiges Gefühl!
Gegen 21 Uhr fällt unser Grundeisen zwischen der Ile de Batz und der Stadt Roscoff. Wir brauchen mehrere Anläufe, da wegen des starken Bewuchses mit Seegras der Anker nicht richtig hält und wir zu nahe an andere Ankerlieger herankommen. Schließlich liegt TinLizzy aber sicher am Haken. Für einen Landgang ist es zu spät, außerdem liegen wir mitten im Tidenstrom und trauen uns nicht, das Schiff zu verlassen. Bald wird die Tide kentern. Wird der Anker halten?
Später in der Nacht – wir haben uns im Strom mittlerweile gedreht – starten sie in Roscoff das Abendprogramm. Ein Feuerwerk beginnt – wahrscheinlich zu Ehren des riesigen Kreuzfahrtschiffs, das wir im Hafen von Roscoff erkennen können. Auch von TinLizzy aus haben wir eine Top-Aussicht.
Sonntag, den 21.07., Carantec, Bretagne – Heute morgen an einen anderen Ankerplatz gezogen. Die Nacht war ruhig, aber jetzt merken wir, dass wir doch sehr nah am Fahrwasser liegen. Andauernd sausen Fischerboote, Segelschiffe und die ersten Fähren an uns vorbei.
Wir schippern genau 8 Meilen weiter und machen in der Bucht von Carantec an einer Mooringtonne fest. Jetzt erstmal frühstücken!
Gegen Mittag sind wir bereit für einen kleinen Landgang. Wir fahren mit dem Dinghi zum Strand, legen es im flachen Wasser an den Anker und laufen in die Stadt. In einer Creperie direkt an der Kirche bestellen wir „Burger Breiz“ , also „Bretonische Burger“. Wir sind neugierig und werden nicht enttäuscht: Es sind herzhafte Crepes, die – als Doppel-Whopper gefaltet – mit Fleisch, Fisch oder Gemüse gefüllt sind.
Am frühen Nachmittag geht es zurück an Bord. Nur wenige Stunden sind vergangen, doch die Bucht hat sich total verändert. Unser Dinghi liegt jetzt trocken, und wir müssen es etwa 50 Meter durch das Watt tragen. Wo vorher eine riesige Wasserfläche war, sind jetzt – bei Niedrigwasser – überall kleine Felsinseln entstanden, die zum Teil durch sumpfig grüne Wattstreifen verbunden sind, auf denen sich Möven, Blesshühner und andere Wattvögel tummeln. Die Bucht ist aber nicht nur für Wasservögel ein Paradies. Auch wir fühlen uns hier so wohl, dass wir heute hier bleiben werden. Wir können uns etwas „Urlaub“ leisten. Felix hat seinen Rückflug nach Berlin gebucht. Er wird auf den Kanalinseln von Bord gehen und in den Flieger steigen. Bis dort ist es nicht mehr weit!
Montag, den 22.07., Ile de Brehat, Bretagne – Bevor Felix wieder abreist, wollen wir unbedingt noch einmal trockenfallen. Unser Ziel für heute ist deshalb die Ile de Brehat, die zwischen Brest und St. Malo wenige Kilometer vor der französischen Küste des Ärmelkanals liegt. Dort gibt es eine kleine Bucht, in der wir TinLizzy wunderbar auf Grund setzen könnten.
Leider müssen wir dafür schon wieder in aller Herrgottsfrühe aus den Kojen. Wir brauchen eine ganze Tide, um zur Ile de Brehat zu kommen – und müssen möglichst bei Hochwasser dort sein, damit wir in die Bucht einlaufen können. Gar nicht so einfach, denn es ist Schwachwind und wir müssen unter Motor laufen.
Wir lösen kurz vor Sonnenaufgang die Leinen und fahren los. Bis um 11 Uhr haben wir die Strömung mit uns, doch dann müssen wir gegenan antuckern. Irgendwie hat sich die Tide nicht an unsere Berechnungen gehalten.
So kommt es, dass wir viel zu spät in die Bucht von Corderie auf Brehat einlaufen. Erst um 14 Uhr machen wir vor Heck- und Buganker im vorderem Teil der Bucht fest. TinLizzy wird bei Niedrigwasser zwar stehen, aber dabei nasse Füsse behalten.
Dann beginnt das Tidenspektakel. Tinlizzy wiegt sich sanft im ablaufenden Wasser, das am Ufer kleine Strudel bildet. Während die Felsen immer größer werden, entstehen davor saftige, feucht-moddrige Wattflächen. Sie werden sofort von den Vögeln in Beschlag genommen, die sich mit lautem Gekreische um Muscheln, Krebse und anderes Wattgetier streiten. Unter TinLizzys Rumpf plätschern leise, ganz leise die Wellen. Schließlich ist alles Wasser abgelaufen, und wir stehen. Jetzt wird es still. Alle Muscheln, alle Krebse, alle Würmer sind verzehrt, die Vögel sind weitergezogen – frischer Wattgrund ist immer irgendwo.
Niemals sonst ist es beim Segeln so friedlich wie beim Trockenfallen – und nirgendwo sonst spürt man das Pulsieren der Gezeiten so deutlich wie im Watt.
Am Abend machen wir uns klar für einen Landgang. Während wir tagsüber Hunderte von Tagestouristen über die Insel stromern sahen, ist es jetzt leer geworden. Die letzte Fähre hat die Insel längst verlassen. Wir passieren Dutzende von alten, liebevoll restaurierten Fischerhäuschen, die heute als Feriendomizil dienen. Überall blühen Hortensien und und Stockrosen, und es duftet nach Lavendel. Die Wiesen und Weiden sind saftig grün, und nie stört ein Auto die Idylle, denn es gibt nur Fahrräder.
Im Dorf ist mittlerweile Feierabend. Die meisten Restaurants und Läden haben geschlossen, nur gelegentlich sieht man ein paar Angestellte, die erschöpft die Reste eines heißen Sommertages beseitigen und die Terassen für den nächsten Ansturm herrichten. Lediglich gegenüber des kleinen Supermarkts ist noch eine Bar geöffnet. Hier trifft sich die Jugend. Wir setzen uns dazu und bestellen uns ein „Camelot“-Bier.
Dann müssen wir auch schon zurück, denn es wird langsam dunkel. Die Wege sind unbefestigt, und es gibt keine Straßenlaternen….
Zurück an Bord lassen wir die bisherige Tour noch einmal Revue passieren. Die Bretagne ist für uns als Sommer-Segelrevier eine echte Entdeckung, wenn auch die Tidensegelei manchmal anstrengend ist. Wir genießen es sehr!
Morgen heisst es wieder: Früh aufstehen! Die Tide ….
– *Vorherigen Törnbericht lesen* – Nächsten Törnbericht lesen –
M | D | M | D | F | S | S |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | ||||||
2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 |
9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 |
16 | 17 | 18 | 19 | 20 | 21 | 22 |
23 | 24 | 25 | 26 | 27 | 28 | 29 |
30 | 31 |