Juli 2014 – Wir haben unser Schiff TinLizzy jetzt seit vier Wochen, und es wird endlich Zeit für den ersten größeren Seeschlag. Am 13. Juli – genau einen Monat nach Schiffstaufe – legen wir in Enkhuizen ab. Geplant ist ein Zwischenstopp in Vlieland, dann wollen wir die zu erwartenden östlichen Winde für einen Ritt zur englischen Küste nutzen. Wir segeln zu zweit.
Der 13.Juli hat es in sich: Die Sonne scheint, es weht kaum Wind und schon am frühen Morgen steigt das Thermometer. Wir sind gerade aus dem Hafen von Enkhuizen ausgelaufen, da kommt der Wind fast ganz zum Erliegen. Ein richtig schöner Sommer- und Badetag also! Das finden auch die Mücken. Ein riesiger Schwarm klitzekleiner Mücken erwischt uns mitten auf dem Wasser und nimmt unser Boot binnen Sekunden in Besitz. Alles voller Viecher! Sie sitzen überall, stechen glücklicherweise nicht, aber selbst beim Atmen bekommt man sie in die Nase.
Wir gehen unter Deck, machen die Schotten dicht, schalten die Selbststeueranlage an, und halten vom Vorluk aus Ausschau, welches wir vorher mit Mückengaze verhängt haben. Einer steht an der Vorluk und ruft, der andere bedient am Kartentisch die Selbststeueranlage: fünf Grad Backbord, zehn Grad Steuerbord… Eine halbe Stunde lang geht das sehr gut, doch dann wird der Schiffsverkehr zu stark, und wir müssen wieder zurück ins Cockpit und ans Ruder.
Um die Viecher loszuwerden, spritzen wir eimerweise Wasser über das Deck. Als wir nach vier Stunden in der Nordseeschleuse Kornwerdersand ankommen, ist die Plage vorbei – aber in allen Ritzen kleben jetzt die Mückenleichen.
Wir beschließen, nicht den Hafen von Vlieland, sondern die Insel Richel anzusteuern und dort trocken zu fallen. Das Wetter passt – denn wo wenig Wind ist, ist auch wenig Welle.
Es findet sich ein kleines Fahrwasser direkt südöstlich von Richel, das uns optimal zu passen scheint. Rechts und links Waddenhochs. Mit ablaufendem Wasser ankern wir abseits der Insel, holen unseren Hubkiel hoch – und warten. Als das Wasser noch ca. 1,20 Tiefe hat, steigt Jochen ins Wasser. Mit dem Schrubber schabt er die letzten Mückenleichen von der Bordwand. Danach gehen wir in den Genießer-Modus. Wir schwimmen wie in einem Pool mit Gegenstromanlage. Der Tidenstrom ist so stark, dass man sich gerade so gegenan halten kann.
Das Wasser fällt und fällt. Ganz in der Nähe ziehen ein paar Seehunde vorbei und spielen in der Strömung. Der Wassergarten der Waddensee kommt zum Vorschein. Seegras, Muscheln, Krebse, und – Quallen. Wunderschöne Medusen haben wir gesichtet….
Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg nach Vlieland. Dort gibt es im Sommer auf dem Hafengelände einen gutsortierten Bioladen, und hier wollen wir uns verproviantieren, bevor es auf den Seetörn nach England geht.
Als wir die Hafeneinfahrt gegen 10 Uhr morgens erreichen, ankern schon etwa 20 Schiffe vor dem Hafen. Vlieland ist pickepacke „vol“. Wir gehen kurzerhand ein Stück weiter ebenfalls vor Anker, machen unser Beiboot klar und fahren per Schlauchboot zum Einkaufen ins Dorf. Nachmittags machen wir uns einen netten Badetag. Wieder Schwimmen mit Gegenstromanlage – danach kochen wir uns ein leckeres Essen und gehen früh schlafen. Wir wollen „vorschlafen“ – denn in der nächsten Nacht werden wir nicht viel Schlaf bekommen!
Am frühen Nachmittag des 18. Juli brechen wir auf nach Lowestoft. Wir laufen in der Küstenverkehrszone vor Texel bis zum Ausgang des Verkehrstrennungsgebietes und passieren dabei eine Ölplattform und Windfarm nach der anderen. Zahlreiche dicke Pötte kreuzen unseren Weg, und phasenweise ist das ziemlich aufregend. Schließlich ist es geschafft. Gegen 24 Uhr sind wir durch, und vor uns liegt nur noch die große, weite Nordsee. Die Nacht ist ruhig, und wir können beide abwechselnd ein bisschen schlafen.
Gegen 8 Uhr morgens gibt der Skipper Alarm: Eine Gewitterfront naht! Die Wolkenwände sehen bedrohlich aus, und wir tauschen im Eilverfahren Genua gegen Kutter und setzen das 2. Reff ins Gross. Die Front erwischt uns glücklicherweise nur am Rande, trotzdem bekommen wir verrückte Wellen und Zickzack-Wind zu spüren.
TinLizzy reitet das alles souverän ab – und wir fühlen uns sicher. Das Schiff ist leicht zu bedienen, und gerefft oder ausgerefft ist wirklich blitzschnell.
Dennoch hat die Welle aus unserem Diesel wohl Schlagsahne gemacht, denn als wir gegen Nachmittag kurz vor Lowestoft den Motor starten wollen – springt der nicht an. Scheint, als ob die Maschine keinen Diesel, sondern nur Luftblasen ziehen kann. Nichts zu machen. Da eine 2-Meter Welle steht, gelingt es uns nicht, den Diesel zu entlüften. Wir segeln kurzerhand bis vor den Hafen und funken dann die Hafenleitung an. Können wir in den Hafen hineinsegeln? Die Idee finden sie nicht gut und schicken uns den Seenotrettungskreuzer. Vier nette Jungs mit vielen Tattoos auf den Unterarmen nehmen uns in Schlepp und bringen uns ins Hamilton Dock im Hafen von Lowestoft.
Über die Nordsee nach Lowestoft im Südosten Englands.
Nach vier Wochen zwischen holländischen Inselschönheiten ist Lowestoft ein kleiner Schock. Industriehafen, etwas heruntergekommen; aber es ist viel Platz, und die Menschen sind ausgesprochen nett und hilfsbereit. Wir machen unsere Maschine wieder klar, klönen mit den Stegnachbarn, ruhen uns aus und legen zwei geruhsame Hafentage mit Wäschepflege ein.
Eigentlich wollten wir danach noch einen kleinen Abstecher in einen der Flüsse machen, die an der englischen Ostküste in die Nordsee münden. Doch leider spielt der Wind nicht mit. Nur in den nächsten beiden Tagen verheisst der Wetterbericht westliche Winde – und die brauchen wir, um einigermaßen entspannt innerhalb unseres Zeitrahmens wieder zurück in die Niederlande zu kommen. Schon am 28. haben wir wieder einen Termin in unserer Werft – und angesichts unserer Motorprobleme sollten wir den nicht verpassen!
Am Abend des 21. Juli legen wir ab und überqueren die Nordsee Richtung Ijmuiden bei Amsterdam. Ijmuiden hat einen wunderbar großen Vorhafen – da kommen wir zur Not auch unter Segeln rein.
Die Überfahrt ist anstrengend, aber ansonsten ereignislos. Auf Halbwindkurs rauschen wir durch die Nacht. Wir schlafen wenig, aber die verkehrsreichen Schiffahrtsstraßen queren wir diesmal bei Tageslicht, und das ist weniger stressig. Diesmal springt sogar der Motor anstandslos an und bringt uns völlig stressfrei in den Yachthafen von Ijmuiden.
Ijmuiden Marina ist ein Durchgangshafen. Als wir ankommen, sind schon die meisten Yachten ausgelaufen. Die Amsterdamer Dauerlieger sind derzeit offenbar auf Urlaubsreise zu den Nordseeinseln. Die Marina ist leer, und wir haben reichlich Auswahl. Wir gehen längsseits an die Außenseite.
Kurze Zeit später haben wir den niederländischen Zoll an Bord. Sie haben uns wohl auf AIS verfolgt und gesehen, dass wir aus England kamen. Zwei smarte junge Männer mit dunklen Sonnenbrillen lassen sich alle unsere Papiere zeigen und machen mit ihrem Handy Fotos davon. Haben wir unser Schiff bezahlt? Haben wir auch die Mehrwertsteuer abgeführt? Haben wir die nötigen Lizenzen für Funk und Schiffsführung? Welch ein Glück, dass wir alle Dokumente ordentlich abgeheftet parat haben….
Nach einem ansonsten geruhsamen Hafentag in Ijmuiden brechen wir schließlich zum letzten Schlag nach Texel auf. Hoch am Wind sausen wir in schönstem Sonnenwetter bei 3-4 Windstärken dem Seegatt von Den Helder entgegen. Etwas härter wird lediglich die letzte Etappe. Es brist weiter auf, und wir müssen mit der Tide und gegen einen 5er Wind in das Seegatt hineinkreuzen. Das ist ruppig, aber TinLizzy kriegt das locker hin. Hoch am Wind läuft sie wirklich gut, auch mit Kuttersegel und Reff im Groß.
In Texel allerdings ist wieder der Yachthafen voll. Schon im Vorhafen liegen die Schiffe im Päckchen. Wir machen längsseits an einem alten Lastkahn fest. Am nächsten Morgen findet der Hafenmeister ein Plätzchen in der Marina für uns, und wir genehmigen uns auf Texel noch einen entspannten Inseltag, bevor es zurück nach Makkum geht.
Dort wird TinLizzy eine neue Dieselpumpe bekommen – und die wird unser Motorproblem hoffentlich endgültig lösen…
Es grüßt Euch Barbara
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