September 2014 (jw) – Die Biscaya gilt als eines der anspruchsvollsten Segelreviere in Europa. Wir – TinLizzy und Crew, Jochen und Harald – hatten Glück. Für unseren spätsommerlichen Törn vom niederländischen Makkum nach La Coruna in Galizien bescherte Rasmus uns moderate Wellen und östliche Winde. :::::
Freitag 12.9. 14:00 Uhr – Nur noch etwa vier Stunden bis ich Harald in Sneek vom Bahnhof abholen soll. Unser Schiff TinLizzy liegt in der Werft und sieht noch mächtig nach Baustelle aus. Zwei Monteure hängen kopfüber in der Salonbank und installieren die Entlüftung des Tagestanks, der Lukendeckel der Backskiste muß noch montiert werden und der neue Salontisch auch. Gegen 16:00 Uhr machen sie Feierabend. Den Projektleiter kann ich nicht finden. Ach so: der Verbindungsschäkel an der Ankerkette ist verrostet – war wohl kein Edelstahl. Sollte auch noch ein neuer dran.
Jetzt nur nicht zweifeln. Ist ja auch schon einiges fertig – think positive und so. Und tatsächlich. Pünktlich zum Feierabend ist die Tagestankanlage komplett, der Projektleiter taucht mit dem Lukendeckel auf und der Schreiner hat den Salontisch montiert. Den Schäkel für die Ankerkette haben wir auch noch ausgetauscht. Ich springe in den Mietwagen und fahre nach Sneek. Der Bahnhof hat nur zwei Gleise und auf dem einen strömen mir Fahrgäste entgegen. Der Typ da mit der Segeltasche – das könnte Harald sein. Und so ist es. Wir fahren zum Schiff, stauen das Gepäck und gehen erstmal Essen. Alles wird gut.
Samstag 13.9. – Am nächsten Tag machen wir eine kurze Einweisung und dann geht’s los. Harald ist ein erfahrener Segler und die restlichen Erklärungen gibt’s unterwegs. Es sind für die nächsten Tage östliche Winde angesagt. Das müssen wir ausnutzen. Schließlich wollen wir durch den Kanal und dann über die Biskaya. Beides schwierige Seegebiete und Mitte September ist denn auch schon recht spät.
Wir segeln erstmal im Ijsselmeer bis nach Den Oever. Der Wind schiebt mit 3-4. Wir ziehen den Gennaker hoch und machen 6-7 Knoten. Haralds Augen fangen an zu leuchten. Dann geht es bei Den Oever durch die Schleuse. Wir brausen mit Groß und ausgebaumter Genua durch die Waddenzee und bei Texel hinaus auf die Nordsee.
Gegen Abend passieren wir Ijmuiden. Da wollten wir eigentlich unseren ersten Nachtstopp einlegen. Aber es läuft prima und wir möchten den guten Wind nutzen. Also weiter die holländische Küste lang. Hier ist jede Menge los: Bohrinslen, Windparks und natürlich Schiffe überall. Wir teilen uns die Nacht in einen dreistündigen Wachrythmus auf. Erst Harald von 9-12, dann ich von 12-3 und so weiter.
Gegen 2:00 Uhr in der früh dreht der Wind und wir müssen die ausgebaumte Genua wegnehmen und halsen. Tja, nicht gerade ein einfaches Manöver in der Nacht, zu zweit, wenn einer das Schiff noch nicht richtig kennt. Aber gut. Muß halt sein.
Wir fahren das Manöver mit Maschinenunterstützung und wie es der Teufel will rutscht eine Genuaschot ins Wasser (war nicht im Holepunkt, wegen Ausbaumung) und zack – die Schot hat sich um die Schraube gewickelt und der Motor steht. Na prima. Wir halsen und fahren auf dem anderen Bug weiter. Alle versuche die Schot mit Winsch (und vieel Gefühl) aus der Schraube zu ziehen, scheitern.
Wir segeln erstmal weiter durch die Nacht und warten auf den Morgen. Der bringt Licht aber auch keine neuen Ideen. Wir müssen einen Hafen finden, den wir auch unter Segeln ansteuern können. Ostende könnte passen. Hat einen großen Vorhafen und bestimmt jede Menge Infrastruktur für die Reparatur. Wir fragen über UKW bei Port Control Ostende an, wo wir unter Segeln längsseits gehen könnten.
Die halten das für keine gute Idee und wollen uns einen Schlepper besorgen. Wir sollen uns nochmal melden, wenn wir vor der Hafeneinfahrt sind. Kaum sind wir da, kommt uns ein großes Schlauchboot mit professioneller Schleppvorrichtung entgegen und nimmt uns auf den Haken. Die wissen was Sie tun und eine halbe Stunde später liegen wir sicher am Kai. Der Käptn hat den Funkverkehr mitgehört und weiß das wir einen Tampen in der Schraube haben: Do you need a diver ? – Na klar doch. Und weil er auch Taucher ist, macht er schnell die Flaschen klar und geht ab ins Wasser. Fünf Minuten später ist die Schraube wieder frei. Der Preis für die ganze Aktion fällt mit 200 Euro noch sehr zivil aus. Lehrgeld halt.
Wir gehen erstmal in die Stadt und wollen was essen. Harald kennt Ostende noch von einem vorigen Aufenthalt und lotst uns in ein kleines Muschelrestaurant. Sieht von außen nach nichts aus – aber die Muscheln sind eine Sensation. Trotz eines Bärenhungers muß ich vor der Riesenportion kapitulieren. Wir schleppen uns zurück aufs Schiff und fallen wie tot in die Kojen.
Montag, 15.9. l Am nächsten Morgen besorgen wir eine neue Schot und laufen gegen Mittag aus. Der Wind weht immer noch aus Ost und das soll noch mindestens 2-3 Tage so bleiben. Dann wird er wohl schwächer.Wir wollen mindestens bis Cherbourg kommen. Das sind gut 200 Meilen.
Als wir Cherbourg nach ca 36 Stunden querab haben ist es mitten in der Nacht, der Wind weht munter aus Ost und wir sind gut drauf. Also weiter. Nachdem wir Alderney passiert haben legt der Wind wie angesagt auf gute 6 Windstärken zu. Wir wollen eine ruhige Nacht und bergen das Großsegel. Wir rollen die Genua bis zum 1. Reffpunkt ein und laufen mit 6-7 Knoten durch eine immer chaotischer werdende See. Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus Windsee, alter Dünung und Tidenstrom. Wie Achterbahn auf der Kirmes. Aber TinLizzy läßt sich gut steuern und zieht sicher ihre Bahnen.
Donnerstag, 18.9. – Am Donnerstagmorgen schläft der Wind wie angesagt ein. Wir stehen direkt vor L’Aberwrach, einem kleinen Hafen in der Bretagne am Westausgang des englischen Kanals. Der Hafen liegt in einer wunderschönen Naturbucht, die aber mit Felsen und Untiefen gespickt ist. Wir warten noch eine Stunde ab, bis es zu dämmern beginnt und laufen dann unter Motor in der Morgendämmerung ein. Die Sonne kauert noch hinter dem Horizont, läßt aber den strahlenden Tag schon erahnen. Nur die hellsten Sterne sind jetzt noch zu sehen. Aus der Dämmerung kommen uns zahlreiche kleine Angelboote entgegen und grüßen freundlich. Ein unvergesslicher Moment auf See. Nach 67 Stunden und 389 Meilen machen wir morgens um 8:00 Uhr in L’AberWrach fest. Jetzt erstmal ein Anliegerbier und dann in die Koje.
L’Aberwrach bietet schöne Natur, leckere französische Küche zu vernünftigen Preisen und einen guten Hafen. Außerdem ist gerade wenig Wind. So bleiben wir zwei Tage und erholen uns.
Für Samstag kündigt sich dann wieder Wind an. Zunächst noch schwach aber je weiter südlich wir in die Biskaya kommen, umso stärker soll es wehen. Und immer noch aus Ost – sehr ungewöhnlich. Wir können unser Glück kaum fassen.
Samstag, 20.9. – Wir werfen am Samstag bei Morgendämmerung die Leinen los und verlassen das schöne L’AberWrach. Jetzt steht die Biskaya an. Unser längster Schlag mit über 400 Meilen. Der Wind ist zunächst noch recht schwach und wir wollen vorankommen. Also motoren wir die Küste entlang bis zur Il’d Ouessant. Die wollen wir an Steuerbord lassen.
In der elektronischen Seekarte gibt es für diese Durchfahrt keine Strömungsdaten. Also versuchen wir’s. Je mehr wir uns der Durchfahrt nähern umso stärker kommt uns der Flutstrom entgegen. Kurz vor der Durchfahrt machen wir unter Motor nur noch knapp einen Knoten über Grund. So geht es nicht. Wir drehen ab und runden die Insel auf der seewärtigen Seite. Hier ist der Strom deutlich moderater. Aber dafür kommt Nebel auf. Innerhalb von 15 Minuten schwindet die Sicht von einigen Meilen auf unter hundert Meter – unheimlich. Unter Radar und mit ständigem Ausguck tasten wir uns durch die Suppe. Die Fischer haben alle AIS und sind klar erkennbar. Aber die ganzen kleinen Angelboote machen uns Sorgen.
Auf unserer Tour durch den Nebel werden wir die ganze Zeit von einer Delphinschule begleitet. Keine Probleme hier, scheinen sie uns zu sagen, gleiten blitzschnell voraus, lassen sich wieder zurückfallen, queren achtern unsere Kurslinie. Kurz darauf bekommen wir noch mehr Gesellschaft: Ein Wal ist neugierig geworden und taucht mehrmals kurz auf. Schade, dass die Sicht so schlecht ist! Entdeckt hat ihn Harald, er versucht mehrmals, ihn mir zu zeigen, doch ich verpasse ihn und bekomme nur noch die Wasserwirbel beim Abtauchen zu Gesicht.
Nach etwa zwei Stunden unter Begleitschutz unserer Delphinschule haben wir die Insel achteraus und die Sicht bessert sich. Unser schwimmenden Freunde verabschieden sich.
Am Nachmittag kommt dann auch mehr Wind und wir setzen Segel und steuern unter Groß und Genua in eine ruhige aber wolkenverhangene, mondlose Nacht. Harald meint: dunkel wie im Bärenarsch. Wo der schon alles war !
Sonntag, 21.9. – Der nächste Tag wechselt zwischen Schwach und- Mittelwind. Alles bleibt grau. Mal segeln wir, mal röhrt der Motor. Die Sonne zeigt sich nicht. In der Nacht legt der Wind dann aber ordentlich zu. Genau wie angesagt (die Prognosen von Wetterwelt waren unglaublich treffsicher) haben wir am nächsten Morgen gute sechs Beaufort. Wir ziehen zwei Reffs in Groß und verkleinern die Genua. Bei achterlichem Wind pflügt TinLizzy mit 8 Knoten durch eine zunehmend aufgewühlte See.
Noch 24 Stunden geht es so weiter. So langsam die erste Hälfte war, so schnell und rauschend wird der zweite Teil. Es schaukelt mächtig und in der Spitze haben wir 30 Knoten Wind.
Dienstag, 23.9. – In völliger Dunkelheit tauchen in den frühen Morgenstunden die Leitfeuer der galizischen Küste am Horizont auf. Es ist noch ein paar Stunden hin bis zur Dämmerung, aber die Bucht von La Coruna ist gut befeuert und wir wollen jetzt ankommen. Zahlreiche Fischer kommen uns entgegen. Ihr Tag beginnt gerade erst – aber unserer geht jetzt zu Ende. Um 6:00 Uhr laufen wir in die Stadtmarina von La Coruna ein. Am Steg steht ein Mitarbeiter des Hafens und nimmt unsere Leinen an. Was für ein Service! Wir sind beeindruckt und dankbar. Geschafft ! Wann gibt es schon mal so einen guten Grund um morgens Bier zu trinken…
Törndaten:
Makkum – La-Coruna vom 13.9. – 23.9. Gesamtdistanz: 982 sm
Makkum – Ostende : 170 sm, 29 Stunden
Ostende – L’Aberwrach : 389 sm, 67 Stunden
L’Aberwrach – La Coruna : 423 sm: 71 Stunden
Es grüßt Euch, Jochen
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