August 2019, Schelde, Nederlande – (TL) Der Abend wäre wunderbar geworden, hätte die Frau nicht einen Wutanfall bekommen. Irgendwie ist sie etwas dünnhäutig geworden! Als sie sich nach dem Abendessen auf der Cockpitbank ausruhen will, stehen direkt hinter ihr, das spürt sie ohne sich umzuschauen, Skipper´s Bordschuhe! Puuh!! Sie fackelt nicht lange und wirft beide in hohem Bogen über Bord. ::::
Sonntag, den 28.07., Alderney, English Channel – Nach zwei Wochen Bretagne-Segelei ist der Sohn vor zwei Tagen von Bord gegangen und in St. Helier auf Jersey in den Flieger nach London gestiegen. Keine fünf Stunden später – als die Tide passte – haben auch wir uns auf den Weg gemacht. Erst ging es nach Sark, und schon am nächsten Tag nach Alderney, der nördlichsten und östlichsten Insel im Englischen Kanal. Morgen schon soll es weitergehen, obwohl es hier sehr schön ist. Seit der Sohn wieder weg ist, sind der Mann und die Frau aber irgendwie in Eile. Sie wollen möglichst schnell nach Osten in heimische Gewässer kommen.
Mir soll es recht sein, und Winnie ist sowieso begeistert, denn das heißt: Segeln bis der Arzt kommt – immer mit High-Speed, immer im Tidenrausch. Wir werden durch den Englischen Kanal segeln, eine der meist befahrenen Schifffahrtsstraße der Welt. Das wird spannend!
Mittwoch, den 31.07., Cherbourg – Für einen kurzen Stopp haben wir im französischen Cherbourg festgemacht, dann geht es in einer Nachtfahrt weiter bis nach Dunkerque. Ein konstanter Westwind der Stärke 4-5 bläst uns, wie ich es geplant habe, im Turbomodus mit 8 Knoten in Richtung Osten. Die Tide legt nochmal 2 Knoten drauf, und ich bin wieder mit 10 Knoten unterwegs. So geht Segeln, wie Winnie und ich es lieben! Die schwierigste Stelle des Englischen Kanals, die Straße von Dover, passieren wir am frühen Morgen. Die Tide ist zwar jetzt gegen uns, aber das macht nichts. Wir treffen einen dicken Pott nach dem anderen, und ständig kreuzen Fähren unseren Weg, die zwischen Calais und Dover hin- und her fahren. So viele Schiffe hat Winnie in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Lauter Profis um uns herum! Einmal allerdings müssen wir uns per Funk beschweren, sonst hätte uns glatt einer umgefahren! Ganz schön aufregend….
Freitag, den 02. 08., Zeebrugge – Der Englische Kanal ist durchfahren, jetzt sind wir wieder in der Nordsee. Aber auch unser nächster Etappenhafen, Zeebrugge, ist nicht ohne. Es ist Belgiens größter Seehafen, und entsprechend viele dicke Pötte liegen hier herum bzw. fahren ein und aus. Wir müssen zunächst per Funk klären, wann wir den großen Hafen durchqueren dürfen. Die Marina für uns Yachties liegt nämlich ganz weit hinten drin! Aber alles geht gut
Ich, Winnie und auch der Mann wären schon am nächsten Tag weitergesegelt, aber die Frau will hier, in Zeebrugge, unbedingt Wäsche waschen. Sie findet, auch beim Segeln müsse der Mensch auf Sauberkeit achten. Sie will den Mann auch dazu überreden, noch einen Tag länger zu bleiben, um mit ihr shoppen zu gehen. Brügge solle sehr schön sein, sagt sie, und: „Wir könnten ein paar neue Schuhe gebrauchen“. Damit meint sie aber wohl vor allem den Mann. Der aber findet, er brauche keine neuen Schuhe!
Der Mann hängt nämlich immer sehr an seinen Sachen und ist ihnen lange treu. Schon seit Jahren trägt er an Bord ein paar weiße Sneaker, sehr bequem, mit Luftpolstersohle, und äußerst widerstandsfähig. Der eigenartige Geruch, der von ihnen ausgeht, der stört an Bord nur: die Frau!
Aus dem Shoppen wird deshalb nix. Ich, Winnie und der Mann wollen weiter, die Frau wird überstimmt.
Samstag, den 04.08., Veere – Heute morgen in rauschender Tidenfahrt weiter nach Holland gesegelt. Bei Vlissingen biegen wir in die Mündung der Schelde ein, fahren dort im Hafen in die Schleuse und gehen erneut in einen Kanal – diesmal allerdings als Binnenschiffer.
Auf dem Walcheren-Kanal durchqueren wir die Städte Vlissingen und Middelburg und tuckern schließlich in Richtung Veere, einem kleinen Örtchen am Rande des Verse-Meeres. Wir passieren dabei zwei Schleusen und vier Brücken, die sich für uns öffnen müssen, da wir sonst nicht durchpassen würden. Jedesmal warten wir in einem Rudel von mindestens 6 – 8 anderen Schiffen auf Durchfahrt. Ganz schön stressig! Gegen 18 Uhr allerdings liegen wir endlich am Anker – wieder im Pulk mit vielen anderen Schiffen.
Das macht aber nichts. Es ist genug Platz, die Abendluft ist lau und der Ausblick auf die grünen Ufer und das schöne Städtchen Veere sehr idyllisch. Der Abend wäre wunderbar geworden, hätte die Frau nicht einen Wutanfall bekommen. Irgendwie ist sie etwas dünnhäutig geworden!
Als sie sich abends nach dem Abendessen auf der Cockpitbank ausruhen will, stehen direkt hinter ihr, das spürt sie ohne sich umzuschauen: Skipper´s muffelnde Bordschuhe! Puuh!! Sie fackelt nicht lange und wirft beide mit lautem Schimpfen in hohem Bogen über Bord. Der Mann wird erst blass, dann rot – und dann schimpft auch er.
Etwa 10 Sekunden vergehen, dann hat er sich wieder gefasst. Seine Schuhe schwimmen, das liegt an der guten Luftpolstersohle, und er kann sie wiederholen!!Er setzt sich ins Dinghi und fischt unter den erstaunten Blicken der anderen Ankerlieger erst den einen, dann den anderen Schuh aus dem Wasser. Gut gemacht, Skipper!
Die Frau droht zwar damit, die Schuhe erneut ins Wasser zu schmeißen – lässt dann aber davon ab. Der Abend ist trotzdem gelaufen. Der Mann setzt sich barfuß grummelnd aufs Vorschiff, die Frau verzieht sich unter Deck. Die beiden reden den ganz Abend nicht miteinander.
Mittwoch, d. 7.8., Stellendam – Erst heute weitergezogen, denn den gestrigen Tag verbrachte meine Crew mit einem Landausflug nach Middelburg – und der Beschaffung von neuen Schuhen. Die Frau kaufte sich ein Paar Sandalen, der Mann neue Bordschuhe. Das Klima an Bord hat sich seitdem deutlich verbessert.
Seine alten Bordschuhe hat der Mann in eine Plastiktüte gepackt und unter der Achterkoje verstaut. Er will sie demnächst noch einmal in die Waschmaschine stecken. Winnie macht sich schon etwas Sorgen. Der Platz unter der Achterkoje – das ist seiner! Da wird er wieder liegen, im Winter! Aber bis dahin fließt noch viel Wasser den Fluss hinunter ….
Morgen geht es aus dem Binnenrevier der Schelde jedenfalls erstmal wieder hinaus auf die Nordsee. Schluss mit der Binnenschipperei! Es stehen wieder rasende Tidenfahrten bevor – und wenn ich Glück habe, werde ich auf unserem Weg in die Waddensee erneut die 10-Knoten-Marke knacken.
In Amsterdam wollen wir zwar einen kurzen Zwischenstopp einlegen, aber danach – nächster Tag, nächste Tide – zum Ijsselmeer fliegen. Hier haben der Mann und die Frau mich getauft, hier ging es auf meine Jungfernfahrt! Wir fahren also dahin zurück, wo vor fünf Jahren und mehr als 12.500 Seemeilen alles begann!
Ich und Winnie sind schon ganz aufgeregt!
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