Juni 2019, Ile d´Yeu, France – (TL) Binnen zweier Stunden hat sich der Hafen gefüllt. Überall liegen jetzt Yachten, kleine und große, neue und alte, Einrumpfer, Katamarane, Segler oder Motorboote. Am Steg für die Transit-Yachten haben sich die Schiffe in Päckchen gelegt. Drei, vier Boote liegen an den Schwimmstegen „en couple“, also hinter- und nebeneinander, so dass der „Port de Plaisance“ zu einem einzigen, riesigen Floß geworden ist. ::::
Freitag, den 21.06., Laredo, Kantabrien – Es wird Zeit, dass Winnie und ich wieder zu Wort kommen. Die Frau schreibt zwar nicht schlecht … es ist nur: Sie sieht die Dinge aus einer sehr eigenen Sicht. Da ist einiges richtig zu stellen!
In den vergangenen Wochen bin ich mit meiner Crew im Norden Spaniens entlang der galicischen, asturischen und kantabrischen Küste in Richtung Osten geschippert. Die beiden waren immer wieder total begeistert von schönen Landschaften, von alten Städten und abenteuerlichen Lagunen, in denen sie ankern konnten. Für Winnie und mich jedoch war das Ganze fürchterlich langweilig! Wir sind schließlich Segler!! Ich bin eine Atlantik-Yacht – UND KEIN WOHNMOBIL !!! Selten hatten wir einen Tagesetappe, die wirklich den Namen Törn verdiente, und dauernd lief meine Maschine. Warum? Die beiden fanden den Wind zu stark, um auszulaufen – oder danach zu schwach, um segelnd durch die immer noch aufgeputschten Wellen zu kommen. „Welch ein Glück, dass wir einen Motor haben, wir brauchen sowieso Strom für die Batterie!“, sagte die Frau dann – und schon tuckerte der Diesel.
Seit gestern aber ist Winnie wieder am Start, und die Dinge werden sich ändern! Wir studieren schon seit Tagen die Großwetterlage. Es sieht so aus, als ob wir ab morgen für genau zwei Tage einen satten Ostwind bekommen, der uns zünftig nach Frankreich bringt. Endlich wieder richtig segeln! Das wird ein Befreiungsschlag werden!!
Während Winnie und ich uns noch ein wenig ausruhen, gehen der Mann und die Frau einkaufen, um einen kleinen Lebensmittelvorrat anzulegen. Winnie hat die beiden überzeugt, nicht La Rochelle oder Sables d´Olonne anzulaufen, sondern eine der vorgelagerten Inseln in der Bretagne. Das sollen echte Seglerparadiese sein. Wer weiß, wann die beiden wieder in einen richtigen Supermarkt kommen ….
Samstag, d. 22.6., Biscaya – Was für ein Genuss ! Es bläst die ganze Zeit aus Ost, und ich fliege (!) nach Norden. Mehr als acht Knoten habe ich auf der Anzeige – und Winnie und ich, wir mögen das. Der Frau allerdings geht es nicht gut. „ Wen wundert´s“, lästert Winnie. „Wer wochenlang nur bei Schönwetter schippert,…“
Der Mann muss kräftig reffen, dann legt auch er sich immer mal wieder hin, ruht sich aus und überlässt Winnie das Ruder. Gegen Abend sind aber alle wieder halbwegs fit. Für das berauschende Farbenspiel, mit dem gegen 22 Uhr die Sonne untergeht, hat der Mann aber keinen Sinn. Er fällt todmüde in die Koje. Die Frau übernimmt die Wache.
Sonntag, den 23.6., Biscaya – Mann, mann, mann, die Nacht war stressig! Die Welle hat sich gelegt, und ich sause trotz Reff immer noch mit 8 Knoten durch die See. Wir mussten aber leider viele Schlangenlinien fahren. Heute Nacht trafen wir mehr Fischer als in den ganzen letzten vier Jahren, und denen muss ich jetzt ausweichen. „What shall we do with the drunken sailor, what shall we do ….“, gibt Winnie strahlend zum Besten. „Wer unseren Kurs verfolgt, muss uns für Suffköppe halten!“ Auch in Schlangenlinien kommen wir aber gut voran, und um 12:00 Uhr ist die Ile d`Yeu in Sichtweite. Kurze Zeit später laufen wir – nach 31 Stunden und und 230 nautischen Meilen – auf die Marina von Port-Joinville zu. Winnie ist zufrieden. Wir sind einen Schnitt von 7,5 Knoten gelaufen!
Obwohl hier zahlreiche andere Yachten unterwegs sind und sich mit uns in der Einfahrt eine kleine Wettfahrt liefern, haben wir keinen Stress. Die Frau hat ihr angestaubtes Schul-Französisch ausgepackt. Es klingt furchtbar! Winnie ist es ziemlich peinlich, als sie die Funke in die Hand nimmt, doch es funktioniert: Ein Liegeplatz ist reserviert!
Montag, den 24.6. Port-Joinville, Ile d´Yeu – Schlechte Stimmung an Bord. Wir haben, obwohl wir etwas anderes erhofften, das schlechte Wetter aus Spanien mitgenommen. Es regnet! Der Mann und die Frau gehen trotzdem von Bord und erkunden die Insel. Als sie zurückkommen, ist die Frau – wie immer – begeistert. Winnie ahnte es schon. („Was muss passieren, damit ihr eine Insel NICHT gefällt???“).
Er aber hat schlechte Laune, denn er ist gekränkt. In diesem Hafen unterscheidet man zwischen „Professionellen“ und „Yachties“. „Ponton strictement reservé aux Professionels!!“ steht warnend an der Einfahrt zum idyllischen Fischereihafen, der Winnie sehr gut gefallen hätte. Dort aber will man nur die Profis haben.
Wir müssen in den „Port de Plaisance“, und der ist seit gestern überfüllt. Überall liegen Yachten; kleine und große, neue und alte, Einrumpfer, Katamarane, Segler und Motorboote, Eignerschiffe oder Charteryachten. Am Steg für die Transit-Yachten haben sich die Schiffe “en couple“ gelegt. Drei, vier Boote liegen an den Schwimmstegen im Päckchen hinter- und nebeneinander, so dass alle Rümpfe zu einem einzigen, riesigen Floß verknüpft sind. Das ist nichts für Winnie! Hier kann man kaum noch das Wasser sehen! Wenn wenigstens noch ein paar Kollegen hier wären! Doch im Hafen sind keine anderen Langfahrer zu finden, und Windsteuerungen deshalb auch nicht.
Donnerstag, den 27.6., Port-Joinville – Winnie hat den Mann überredet, dass wir heute noch weiterziehen. Die Frau würde gerne noch bleiben, sie fotografiert schon wieder alles mögliche und hat die Insel irgendwie in ihr Herz geschlossen. Aber das ist egal. Sie wird überstimmt.
Um 9:00 Uhr werfen wir die Leinen los, und das ist ein kleines Abenteuer. Mit uns kommen ungefähr 20 andere „Plaisanciers“ auf dieselbe Idee. Ein unglaubliches Gewusel entwickelt sich, doch irgendwie arrangieren sich alle, und – o Wunder – es kommt zu keinerlei Kollisionen.
Die meisten anderen Schiffe nehmen Kurs auf das Festland. Wir aber ziehen nach Nordwesten und steuern die Ile Hoedic an. Die Insel ist sehr klein: etwa eine Meile lang und 1/2 Meile breit. Es gibt dort keine Autos, und zu Fuß hat man sie auf den Sandwegen in etwa 2 Stunden umrundet, sagt der Revierführer. Einen „Port de Plaisance“ gibt es dort nicht. Wer in einen Hafen will, muss hinter die Mole zum Fähranleger an die Mooringtonne, ansonsten wird ganz zünftig geankert. Das ist ganz klar ein Fall für Winnie!
Ich sause, wieder mit einem strammen Ostwind, in Rauschefahrt auf Hoedic zu. Später dreht der Wind auf Süd, da wird es etwas beschaulicher. Schon um 17:00 Uhr gräbt sich mein Grundeisen bei allerschönstem Sommer-Sonnenwetter in den Sandboden vor dem Port d´Argol in Hoedic.
Jetzt ist nicht nur die Frau, sondern auch Winnie hingerissen. Diese Insel ist der Hammer! Es duftet abwechselnd nach Sommerwiese, Strandhafer und Meer, bemerkt die Frau. Es ist warm, das Wasser ist klar, der Strand goldgelb und feinsandig. Ein Traum!
Freitag, den 28.6., Ile Hoedic – Es ist 9:00 Uhr, 20 Grad, die Sonne scheint. Die Frau hat gerade ihr Morgenbad genommen und Kaffee gekocht. Der Mann kommt mit einem großen, frischen Baguette und ein paar Croissants von einer Dinghi-Expedition zum Dorfbäcker zurück. Da schreit Winnie: „Aaaach-tung! Winddreher! Nebelwand aus West!! Klar machen zum Manöver Anker-Auf !!“ In der Tat bläst der Wind plötzlich nicht mehr aus Südost, sondern aus der entgegengesetzten Richtung, und schon nach kurzer Zeit läuft gegen den Tidenstrom eine ganz blöde Windsee in die Bucht. Es entsteht eine unangenehme, kabbelige Welle, die mich ordentlich schaukeln lässt – und man kann kaum noch etwas sehen.
Schon seit gestern Nachmittag schickten sie über Funk immer wieder Warnmeldungen, dass es mit einem Winddreher stark aufbrisen würde und schlechte Sicht gäbe. Die Frau hat das aber wohl nicht richtig verstanden, denn die beiden haben erst viel später damit gerechnet. Dennoch: So langsam kommt meine Crew wieder auf Zack. Blitzschnell ist das Schiff klar, wir gehen Anker auf, motoren ein paar hundert Meter weiter und legen uns im Wellenschutz vor einer Felsenzunge erneut an den Haken. Jetzt wird erstmal gefrühstückt.
Das Baguette ist offensichtlich sehr knusprig und sehr lecker, und auch die Schokoladen-Croissants munden richtig gut.
Nach dem Frühstück ziehen wir um. Ich fahre um die Insel herum und ankere auf der Südost-Seite erneut. Das Gute an einer Insel ist, dass es immer eine geschützte Lee-Küste gibt!
Auch hier, vor der Felszunge des „Grand Mulon“, liegen wir direkt an einem hellen und feinsandigen Strand – jedenfalls, sofern wir das erkennen können. Der immer noch recht starke Westwind schiebt jede Menge feuchte, kühle Luftmassen und Nebelschwaden über die Insel. Es sieht fast aus wie im November! Als der Mann und die Frau wenig später dick vermummelt für einen Landausflug von Bord gehen, ist die Insel in dicke, weisse Suppe gehüllt.
Nachmittags und Abends ist aber wieder allerschönstes Sommer-, Sonnen- und Badewetter! Mit fortschreitender Stunde kommen deshalb vom Festland immer mehr andere Ankerlieger und legen sich in die Bucht. Winnie ist baff erstaunt. So trubelige Ankerbuchten hat er in seinem 4-jährigen Dienst bei mir noch nie zuvor irgendwo erlebt!
Auch der Mann und die Frau staunen, wieviele Schiffe sich hier in die Bucht quetschen. Gegen Abend liegen 25 Yachten hier. Man merkt, daß die Franzosen geübte Ankerer sind. Sie machen viel weniger Aufriss als der Mann und die Frau, die den Haken immer sorgfältig im Rückwärtsgang einfahren, ordentlich Kette stecken und oft auch nach dem Anker tauchen, um nachzuschauen ob er sitzt. Hier, auf französisch, plumpst der Anker einfach auf den Grund – und meistens hält er trotzdem. Und wenn´s mal nichts funktioniert? „Paah, c´est la vie!“, sagt Winnie. Er ist schon voll akklimatisiert.
Samstag, den 29.06., Ile Hoedic – Das hat was! Heute wieder das gleiche Spiel. Morgens mit Sonnenschein gestartet. Mittags kühle Nebel-Schwaden.
Während im Binnenland und auch in Deutschland neue Hitzerekorde aufgestellt werden, ist es hier auf unserer kleinen Insel angenehm temperiert.
Wir liegen immer noch vor Anker, in derselben Bucht – die abends voll ist und morgens leer wird. Wir überlegen aber, bald im kleinen Hafen „Port de la Croix“ trockenzufallen. Es naht ein unangenehmer Nordost-Wind, vor dem es hier sonst wenig Schutz gibt, und Winnie will partout noch nicht wieder in einen „Port de Plaisance“. Das ist einfach nichts für ihn! Es klingt zu sehr nach „plaisir“ – und Winnie ist nicht zum Spaß hier. Er will Abenteuer!
Sonntag, den 30.06., Ile Hoedic – Wir sind tatsächlich hinein, in den kleinen alten Hafen „de la Croix“. Winnie hat sein Adrenalin bekommen. Kurz vor Hochwasser sind wir eingelaufen und ich habe mich vorne und achtern an zwei Mooringtonnen festgemacht, neben fünf anderen Schiffen, die ebenfalls trockenfallen wollen.
Hätten der Mann und die Frau sich nicht wieder einmal fürchterlich blamiert, wäre der Tag perfekt geworden! So aber….
Winnie kann es kaum glauben. Als die beiden – noch bei Hochwasser – mit dem Dinghi an Land rudern, um an den Strand zu gehen, nehmen sie – wie sie das in Tidengewässern oft machen – einen kleinen Anker mit. Dann nämlich muss man das Dinghi nicht mühsam auf den Strand schleppen, sondern kann es einfach im seichten Wasser an den Haken legen. „Hast du den Anker mitgenommen?“, fragt der Mann, bevor sie von Bord gehen .„Ja!“, antwortet die Frau.
Es wäre alles gut gegangen, wenn die Frau das Ding auch befestigt hätte. Hat sie aber nicht. Die beiden schmeißen den Anker, waten an Land und legen sich für ein kleines Nickerchen an den Strand. Wenig später werden sie von lauten Pfiffen, Rufen und Gejohle wach.
Der halbe Strand versucht, die beiden zu warnen: Das Dinghi treibt mit dem ablaufenden Wasser hinaus auf den Ozean.
Glücklicherweise ist Winnie auf Zack. Er hat blitzschnell unseren Nachbarn angesprochen, der sein Beiboot noch parat hat. Der Mann darf bei ihm mitfahren und unser Dinghi wieder einfangen.
Glück gehabt! Winnie hat sich wieder beruhigt. „C´est la vie!“, sagt er. Ansonsten findet er unser Inselleben „chouette!“.
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