September 2016, Azoren – Als die Dunkelheit einbricht, reicht es mir. Das Schiff läuft prima, ja, – aber ich kann es nicht ausstehen, wenn nachts hinter uns das Kielwasser rauscht, gurgelt und spotzt und die Laufdecks mit Hochdruck gespült werden. ::::
Sonntag, d. 4.9., Horta, Faial – Tropensturm Gaston ist überstanden, und – wie meistens im Leben – kam doch alles nicht so schlimm wie befürchtet. Dennoch wollen wir jetzt weg von den Azoren, denn das Wetter kann jederzeit kippen. Außerdem müssten wir eh unseren Liegeplatz räumen, denn an unserem Steg werden heute die Schiffe einer Einhand-Regatta aus Frankreich erwartet.
Gleich morgens um 8:30 Uhr werfen wir die Leinen los. Der Wetterbericht sagt 4 Windstärken aus SW voraus; perfekt, um auf einem schnellen Halbwindkurs nach Santa Maria zu segeln. Santa Maria ist die östlichste Insel des Azoren-Archipels. Vorn dort aus wollen wir dann wieder nach Madeira aufbrechen.
Doch leider haben wir die Rechnung ohne den Wirt gemacht! Wir haben gerade die Hafenmole passiert, da bemerken wir: Im Kanal zwischen den Inseln Faial und Pico steht ein unschöner Strom gegenan. Außerdem kommt der Wind durch einen Düseneffekt viel südlicher als vermutet. Wir haben ordentlich zu ackern. Da wir jetzt hoch am Wind gegen den Strom segeln, kommen wir nur sehr, sehr langsam voran. Mit vier, höchsten fünf Knoten kämpft sich TinLizzy über Grund nach Südosten, und schönes Segeln ist das nicht.
Erst am frühen Nachmittag haben wir uns entgültig aus der Düse herausgearbeitet. Jetzt sind die Verhältnisse so wie erwartet. Ein konstanter Südwester bringt unser Schiff auf Hochtouren, und wir laufen, wenn wir die lange Atlantikdünung abwärts surfen, über 10 Knoten.
Jochen ist glücklich – ich weniger. Ich mag es lieber gemütlich und finde schnelles Segeln meistens schlicht und einfach: anstrengend. Bei Welle nämlich wird es auf TinLizzy dann ungemütlich, denn wir sind mit einer jollenähnlichen Rumpfform und etwa 11 Tonnen auf 12 Metern nicht sehr schwer; wir gleiten auf den Wellen auf und – huiiiischhhhh – ab. Das ist eher Wellenreiten als Segeln! Ein, zwei, drei Stunden lang kann ich das genießen, doch dann beginnt es, mich zu nerven.
Gegen 15 Uhr treffen wir auf die ersten Boote der Einhand-Regatta aus Frankreich. Südlich der Insel Pico kommen sie uns entgegen, und obwohl sie höher am Wind und etwas kleiner als wir sind, machen sie etwa einen Knoten mehr Speed! Natürlich segeln sie mit Vollzeug …..
Wir hingegen gönnen uns mittlerweile ein Reff in Groß und Genua. Es bläst mit 5 Windstärken, und es hat sich eine ordentliche Welle von etwa zwei Metern aufgebaut. TinLizzy saust und saust, und immer noch überschreiten wir, wenn wir die Welle abwärts surfen, die 10-Knoten-Marke.
Als die Dunkelheit einbricht, reicht es mir. Das Schiff läuft prima, ja – aber ich kann es nicht ausstehen, wenn des nachts hinter uns das Kielwasser rauscht, gurgelt und spotzt und die Laufdecks mit Hochdruck gespült werden. In dieser Rauschefahrt mache ich ohne Not nachts keine Ruderwache! Die Capitana streikt!
Jochen allerdings geniesst die große Sause. Er will nicht reffen, denn dann würde es nicht weniger schaukeln, nur weniger rauschen – dafür aber länger dauern, das ist wohl wahr. „Geh´ruhig schlafen“, meint er. „Ich mache das schon. Ich segele eh´gerne Einhand.“
Hä? Ich bin platt!! Warum nur mussten wir diese Regatta-Heinis treffen??? Will Jochen jetzt unter die Adrenalin-Segler gehen???? Ich verfluche den Tag, an dem wir mit der Atlantik-Segelei angefangen haben!!!!! Wie schön war es doch auf Nord- und Ostsee, oder der Schlei……
Einen kurzen Augenblick lang überlege ich, ob ich mich streiten soll, aber das erscheint mir in Anbetracht unserer Lage mitten auf dem Atlantik unklug. Und: Wirklich gefährlich ist hier nichts, das weiß ich wohl; mein Mann mag das so und schafft das auch! Außerdem sieht die Koje da unten sehr, sehr gemütlich aus… Ich schlucke meinen Ärger runter, lasse meinen Mann „einhandsegeln“ und gehe schlafen.
Montag, d. 5.9., Nordatlantik, Santa Maria – Es ist 6 Uhr, und bis Santa Maria sind es noch knapp 50 nm. Jochen hat tatsächlich durchgezogen. Als ich mich – nach einer schlaflosen „Ruhephase“ in der Koje – wieder ins Cockpit begebe, sausen wir, immer noch mit nur einem Reff, unserem Ziel entgegen. Mein Mann sitzt zufrieden hinter dem Steuer, sieht aber insgesamt doch noch etwas müder aus als ich.
Ich mache mir (und ihm) ein Müsli, koche einen Tee, verziehe mich wieder nach unten und schlafe -(jetzt wirklich!).
Gegen Mittag laufen wir in Santa Maria ein. Jochen ist glücklich und im Reinen mit sich und der Welt. Meine Laune ist auch wieder im grünen Bereich.
Für mich hat das Schicksal aber noch eine Überraschung parat. Nachdem wir im Hafen von Vila do Porto festgemacht haben und wegen eines nahenden Schauers unser Cockpit-Zelt aufbauen, trete ich auf dem Laufdeck barfuß in einen verrottenden fliegenden Fisch, den eine überkommende Welle im Verlauf des Törns heraufgespült haben muss. „Gllllltsch“ macht es, und jetzt stinkt mein Fuß höllisch nach fischiger Fäulnis und: Rott, Rott, Rott!! Wie ekelig ist das denn??? Santa Maria !!!!
Na gut. Geschenkt. Vielleicht bringt das sogar Glück. Jetzt erstmal ausschlafen und dann ein wenig die Insel erkunden. Wir kennen sie ja schon, es ist wunderschön hier, und es gibt für uns noch einige Flecken zu entdecken.
Ich habe mir allerdings fest vorgenommen: Der nächste Törn gehört mir! Und der wird Genießersegeln, mit leichten Winden und ganz viel Segel, ganz ohne Reff – egal, wie lange wir hier auf dieses Wetterfenster warten müssen!!
– Vorherigen Törnbericht lesen – Nächsten Törnbericht lesen –
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